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Bio-Schweine: Erstmals mehr als 4 €

20.12.2021

Auch wenn es sich bei Bio-Schweinefleisch weiter um eine kleine Nische handelt, ist der Handel zunehmend bemüht, seinen Kunden und Kundinnen ein breiteres Sortiment anzubieten. Abgesehen von Aufschnitt beschränkte sich das Angebot im Lebensmitteleinzelhandel anfangs im Wesentlichen auf gemischtes Hackfleisch. Seit einigen Jahren weiten aber alle Handelsketten ihr Frischfleischangebot deutlich aus. Neben Schnitzel, Kotelett und Geschnetzeltem wird mittlerweile auch Schweinefilet angeboten.

Parallel wird auch das Angebot an Bio-Rind- und Bio-Geflügelfleisch ausgeweitet. Allerdings ist das Angebot bis auf wenige Ausnahmen auf den Selbstbedienungs-Bereich (SB) begrenzt. Auch die knapp 1 000 Bio-Supermärkte in Deutschland verfügen in den meisten Fällen nicht über eine Bedientheke, da die Naturkostkunden eher für eine fleischarme Ernährung stehen und daher die Thekenbereiche nicht immer gewinnträchtig laufen. Dennoch gab es auch im Naturkostfachhandel Umsatzzuwächse bei Bio-Schweinefleisch von 50 % und mehr, wie einzelne Bio-Großhändler berichteten, wobei sicher die Corona-Pandemie dazu beigetragen haben dürfte.

Umfangreiches Sortiment

Ein breites Bio-Sortiment ist für die Vollsortimenter Teil des Anspruches, alle Kunden und Kundinnen umfassend bedienen zu können. Große Märkte haben bis zu 10 000 unterschiedliche Bio-Produkte im Sortiment und damit mehr als der durchschnittliche Bio-Supermarkt und mehr als das Doppelte im Vergleich zu klassischen Bio-Läden. Insbesondere die selbständigen Edeka- und Rewe-Märkte sind hier führend. Sie beziehen das Bio-Fleisch meistens über die Regionalgesellschaften, aber teilweise auch direkt vom Erzeuger.

Anfang des Jahres standen bei vielen Lieferverträgen zwischen Landwirten und Bündlern oder Handel Neuverhandlungen an, denn viele Verträge wurden in den Jahren 2015 und 2016 geschlossen. Seitens der Landwirte bestand keine Bereitschaft, die Verträge zu unveränderten Konditionen fortzuschreiben, da eine vollkostendeckende Erzeugung so nicht möglich war, und neue Betriebe zu Preisen von 3,75 € je kg Schlachtgewicht nicht für die Umstellung gewonnen werden konnten. Trotz verbesserter Leistungen bei der Bio-Ferkelerzeugung und der Mast konnten die Mehrkosten bei Investitionen, Arbeit und Fütterung nicht aufgefangen werden: Es zeigt sich in der Praxis, dass sich selbst bei größeren Betrieben nicht die erhoffte Einsparung bei den Arbeitskosten realisieren lässt. Zudem mussten die Mehrkosten einer 100-prozentigen Biofütterung bei Schweinen über 35 kg Lebendgewicht ab dem Jahr 2022 Berücksichtigung finden.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die staatliche Förderung im Rahmen des Agrarinvestitionsförderungsprogramms (AFP) auf Investitionen bis 1 Mio. € begrenzt ist, sodass schon bei Stallungen für 100 Sauen nur noch eine anteilige Förderung realisiert werden kann.

Preis über 4 €/kg

Ergebnis der Verhandlungen bei einem größeren Handelsunternehmen war ein Preis oberhalb von 4 € pro kg Schlachtgewicht (SG), der im Dezember noch einmal um 10 Cent angehoben wurde. In der Folge zogen fast alle Abnehmer von Bio-Schweinen nach und so verwundert es nicht, dass die AMI im September 2021 erstmals für E-Schweine mit 4,02 € einen durchschnittlichen Preis von über 4 € je kg SG auswies. Manche Verarbeiter und Vermarkter beklagen jedoch, dass sie die Preissteigerungen nicht in vollem Umfang an die eigenen Abnehmer weitergeben können. Viele Unternehmen verarbeiten ausschließlich Bio-Fleisch und müssen dementsprechend die höheren Kosten für den Wareneinkauf 1 : 1 weitergeben, während große Handelsketten hier die berühmte „Mischkalkulation“ anwenden können, insbesondere dann, wenn das Bio-Schweinefleisch sowohl am Gesamtumsatz des Unternehmens als auch am Umsatz mit Bio-Artikeln nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Die verstärkte Listung von Edelteilen des Schweins im Lebensmitteleinzelhandel führt auch zu beachtlichen Vorteilen bei der Zerlegekalkulation, da zuvor große Teile des Schlachtkörpers ins gemischte Hackfleisch gingen. Bei auf Biofleisch spezialisierte Unternehmen ist dieser Faktor ohne Einfluss, da hier auch bisher schon eine weitestgehend optimale Verwertung des Schlachtkörpers realisiert wurde. Und nicht zuletzt arbeiten die großen Handelsketten häufig mit großen Schlachtunternehmen zusammen, sodass sich bei Schlachtung und Verarbeitung hohe Kosteneinspareffekte ergeben. Da Bio-Schweinefleisch knapp ist, verringern manche Ketten im gemischten Hackfleisch auch den Schweinefleischanteil zugunsten des Rindfleischanteils.

Verbands-Richtlinien oder EU-Bio-Standard

Zwischen Bio-Schweinefleisch nach EU-Bio-Standard und dem nach den strengeren Richtlinien der Verbände besteht eine Preisdifferenzierung. Dieser Preisunterschied ist durchaus gerechtfertigt. Während bei der Haltung keine Unterschiede bestehen, ist Futter nach Verbandsrichtlinien teurer. Größere Unterschiede werden aber erst offenbar, wenn man den Gesamtbetrieb betrachtet. Nach EU-Bio-Verordnung können pro Hektar mehr Mastschweine gehalten werden und die Kooperation mit konventionellen Biogasanlagen ist deutlich einfacher. Auch der Verbandsbeitrag, heruntergerechnet auf das einzelne Ferkel oder Mastschwein, ist nicht zu unterschätzen. In Zeiten von Überangebot – das gab es auch schon – zeigen sich nach Verbandsrichtlinien erzeugte Bio-Schweine grundsätzlich preisstabiler. Auch ist das Spektrum der Anbieter deutlich größer, weil in vielen Bereichen auf das Verbandslabel Wert gelegt und dieses auch ausgelobt wird. Ein nicht unerheblicher Teil der Verbandsbeiträge wird für die politische Arbeit der Verbände benötigt, ohne die die Branche vermutlich nicht da wäre, wo sie heute ist.

Mit den Bio-Mastschweinen ist auch der Grundpreis für die Bio-Ferkel angehoben worden und liegt aktuell zwischen 150 und 160 €. Bio-Ferkelerzeuger und Bio-Mäster sehen sich als Teil einer Wertschöpfungskette. Entsprechend werden Preiserhöhungen ebenso wie Preissenkungen direkt an die Ferkelerzeuger weitergegeben. Entsprechend hat der Bio-Ferkelerzeuger Interesse an hohen Preisen für Bio-Mastschweine und beteiligt sich daher häufig auch an Preisverhandlungen. In vielen Liefervereinbarungen ist die Weitergabe von Preisänderungen integriert.

Bewährt hat sich hier ein fester Faktor, sodass nicht bei jeder Preisänderung neu verhandelt werden muss. Schwierig wird es, wenn der Ferkelerzeuger mehrere Mäster als Kunden hat, die wiederum Abnehmer mit unterschiedlichen Erzeugerpreisen haben. Bei Anwendung eines festen Faktors müsste der Ferkelerzeuger unterschiedliche Preise für seine Ferkel ansetzen, obwohl es sich um das gleiche Produkt handelt. Würde man den höchsten Mastschweinepreis zugrunde legen, käme der Mäster mit dem niedrigsten Preis nicht zurecht. Umgekehrt kann auch der niedrigste Preis nicht der Maßstab sein, weil dann der Ferkelerzeuger benachteiligt würde. Insofern erscheint es sinnvoll, sich Partner zu suchen, die ähnliche Preise für ihre Mastschweine erzielen. Die gleichzeitige Belieferung von EU-Bio-Mästern und Mästern mit Verbandsmitgliedschaft könnte zu Problemen führen.


Auslauf geschlossen wegen ASP

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) hat auf den Bio-Schweinemarkt und damit auch auf die Preise bisher keinen Einfluss. Bio-Schweinefleisch wird beinahe ausschließlich für den eigenen Markt produziert und fehlende Ware muss sogar importiert werde. Sorge bereitet jedoch die unsichere Rechtslage der Auslaufhaltung in von der ASP betroffenen Regionen. Zwar verlieren Bio-Betriebe nicht den Bio-Status, wenn die Nutzung der Ausläufe untersagt wird, aber ohne Ausläufe funktionieren die Stallsysteme nicht mehr, denn der Auslauf ist Teil des Haltungssystems. Im Auslauf sollen die Schweine koten, sodass man im Stall auf maschinelle Entmistung weitestgehend verzichten kann. Außerdem dient der Auslauf als „Wellnessoase“, in dem gewühlt und Raufutter aufgenommen werden kann. Ohne diese Möglichkeiten entsteht bei den Schweinen erheblicher Stress und das kann man sich bei Langschwanzschweinen nicht leisten.

Die knappe Versorgung am Bio-Schweinemarkt hat das Interesse an einer Umstellung erhöht. Die höheren Erzeugerpreise für Bio-Mastschweine und Bio-Ferkel sowie das Fehlen einer Perspektive im konventionellen Markt sind wesentliche Beweggründe. Die hohen Investitionen bei gleichzeitig schwieriger Ausgangslage machen es den konventionellen Schweinehaltern jedoch nicht leicht. Die nun schon länger bestehende Preisflaute sorgt für niedrige Gewinne oder sogar Verluste bei den konventionellen Schweinehaltern. Damit laufen sie Gefahr, die Voraussetzungen für die Investitionsförderung nicht zu erfüllen, weil es an der Eigenkapitalbildung mangelt.

Auch unabhängig von den Investitionen für Um- und Neubauten ist die Phase der Umstellung immer eine wirtschaftlich schwierige Zeit, die es zu überbrücken gilt. Dabei hat die ökologische Schweinehaltung jedoch auch große Vorteile: Der Absatz ist grundsätzlich gesichert und die Erzeugung entspricht den Vorstellungen breiter Bevölkerungsschichten, auch wenn natürlich noch nicht alle auch sofort die entsprechenden Kaufentscheidungen zu treffen bereit sind. Und die Bio-Schweinehalter wissen, mit welchen Vorgaben sie arbeiten müssen. Im Gegensatz zum konventionellen Markt gibt es ein klares Regelwerk. Das neue EU-Bio-Recht tritt im Januar in Kraft. Die wesentlichen Haltungsvorschriften wurden aus den bestehenden Verordnungen übernommen und sind in den wichtigsten Bereichen seit über 20 Jahren kaum verändert worden.

Bio-Schweine eine interessante Nische

Dennoch gilt: Der Bio-Schweinemarkt ist und bleibt eine Nische. Es ist nicht möglich, dass nun ganze Regionen in die Umstellung gehen. Erzeugen kann man auch im Bio-Bereich nur das, was auch verkauft werden kann. Die meisten Umsteller haben daher auch erst mit den Investitionen begonnen, wenn zumindest ein Letter of Intent bestand, also klare Absichtserklärungen zur Abnahme bestimmter Mengen zu definierten Konditionen. Auch Bio-Ferkelerzeuger bestellen erst den Bagger, wenn sich Mäster bereiterklärt haben, die Ferkel abzunehmen. Sobald aus dem Nachfragemarkt ein Angebotsmarkt wird, drohen auch hier die üblichen Marktmechanismen zu greifen.

Christian Wucherpfennig

Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Weitere Informationen

Aktionsbündnis Bioschweinehalter Deutschland

Das Aktionsbündnis Bioschweinehalter Deutschland (ABD e.V.) startete im vergangenen Jahr mit Fördermitteln aus der Bio-Offensive in Zusammenarbeit mit der AMI ein Projekt, das eine größere Markttransparenz im Bioschweinemarkt gewährleisten soll. Angestrebt wird sowohl bestehenden Biobetrieben und umstellungsinteressierten Betrieben als auch Verarbeitern und Handel bei der unternehmerischen Planung eine größere Absatzsicherheit zu bieten. Derzeit wird von rund 25 Bio-Ferkelerzeugern monatlich die Zahl der abgesetzten Ferkel erfasst, um so in einem möglichst frühen Stadium Aussagen zu Erzeugungsmengen treffen zu können. Darüber hinaus werden die in der Umstellungsberatung schweinehaltender Betriebe tätigen Berater und Beraterinnen halbjährlich befragt, um auch auf diesem Weg frühzeitig von Veränderungen der Bio-Schweine-Bestände in Deutschland erfahren zu können. Sowohl interessierte Betriebe als auch Berater und Beraterinnen können sich gerne beim ABD melden unter aktionsbuendnis@bioschweine-deutschland.de.

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