Logo der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

In der Praxis läuft es

20.06.2025

Zwei Arbeitsgruppen des Forums zum Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) informierten sich in Haus Düsse, dem Versuchs- und Bildungszentrum der Landwirtschaftskammer NRW, über Biodiversitätsmaßnahmen in der Landwirtschaft sowie über in der Praxis etablierte Maßnahmen und innovative Verfahren im Integrierten Pflanzenschutz. 

Auf Einladung des Pflanzenschutzdienstes der Landwirtschaftskammer NRW und der Geschäftsstelle NAP in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung tagten die Arbeitsgruppen „Risikoreduzierung Umwelt“ und „Integrierter Pflanzenschutz“ Mitte Mai 2025 in Haus Düsse in Bad Sassendorf. Die Arbeitsgruppen gehören zum Forum NAP, das die Bundesregierung zum Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln berät. Über 50 Vertreterinnen und Vertreter von Bundes- und Landesbehörden sowie von Verbänden unter anderem der Landwirtschaft, des Gartenbaus, der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Industrie und des Handels nahmen an der Veranstaltung teil. Die regulären Sitzungen der Arbeitsgruppen wurden von einem umfassenden fachlichen Exkursionsprogramm mit Schwerpunkt Biodiversität und Integriertem Pflanzenschutz begleitet.

Erfolgreicher Biodiversitätsbetrieb

Mit einer Besichtigung von Biodiversitätsflächen des Betriebs König in Neuengeseke im Kreis Soest erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen authentischen Einblick, wie Biodiversitätsmaßnahmen auf landwirtschaftlichen Betrieben im Praxisalltag umgesetzt werden können und wie sie dabei durch die Biodiversitätsberatung der Landwirtschaftskammer NRW in Zusammenarbeit mit den regionalen Biologischen Stationen bei einer erfolgreichen Umsetzung unterstützt werden. 

Andreas König bewirtschaftet auf seinem Gemischtbetrieb mit Schweinemast mitten im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde über 200 ha Ackerfläche. Der Betrieb liegt mit nahezu seiner gesamten Fläche im Heilquellenschutz- und nitratbelasteten Gebiet, was mit etlichen Einschränkungen in der Bewirtschaftung einhergeht. Auf rund 25 ha seiner Ackerflächen setzt König die Vertragsnaturschutzmaßnahmen „Doppelte Saatreihe“, „Selbstbegrünung“, „Begrünte Brache“ und die Agrarumweltmaßnahmen „Vielfältige Fruchtfolge“ und „Buntbrache“ um. Dass diese Flächen rege von den gewünschten Ziel- und Leitarten wie Feldlärche, Kiebitz, Grauammer, Fasan und Feldhase angenommen werden, zeigten die Zielarten den Mitgliedern der Arbeitsgruppen anschaulich und live – sie flüchteten bei so vielen Personen am Feldrand.

Dass eine vor drei Wochen eingesäte Brache durch den massiven Auflauf von Ackerkratzdisteln nicht den angestrebten Zustand für die Zielarten des Vogelschutzgebiets Hellwegbörde aufwies, zeigt, dass Monitoring und Steuerung von Biodiversitätsmaßnahen notwendig sein können. Hier stimmen sich Beratung und Biologischen Stationen derzeit ab, um gegebenenfalls auch mit einem gezielten Einsatz von Pflanzenschutzmaßnahmen den Bruterfolg der Zielarten auf der Fläche zu gewährleisten. 

Andreas König unterstrich, dass Biodiversitätsmaßnahmen wie eine Kultur zu führen seien und gegebenenfalls sollte ein gezieltes Reagieren über die Vertragsbedingungen hinaus möglich sein, um den maximalen Biodiversitäts-Ertrag auf den Flächen zu erwirtschaften. Auf den Einwand eines Teilnehmers, die Prämie für die Maßnahme „Doppelte Saatreihe“ sei ja schon sehr üppig, entgegnete König, dass bei nicht selten hohem Unkrautdruck oder Fusariums-Befall das Getreide mitunter nicht lebensmittel- und marktfähig sei. Hier komme ihm persönlich der mögliche Einsatz als Tierfutter in seinem Betrieb zugute.

Das Forum NAP und seine Arbeitsgruppen

Der Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) hat zum Ziel, die Risiken und Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die mit der Anwendung von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln verbunden sein können, weiter zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen sollen alle relevanten Akteure eingebunden werden. Hierfür dient das Forum NAP als Plattform. Im Forum NAP sind Bundesministerien und -behörden, die Länder sowie Bundesverbände verschiedener Sparten vertreten. Das Forum NAP überprüft den Fortschritt des NAP und soll Vorschläge für dessen Weiterentwicklung erarbeiten. Dabei wird es von drei Arbeitsgruppen – Risikoreduzierung Umwelt, Integrierter Pflanzenschutz und Wald – unterstützt, die ihm zu bestimmten Themenbereichen fachlich zuarbeiten und Empfehlungsvorschläge vorbereiten. Das Forum und seine Arbeitsgruppen werden durch die Geschäftsstelle NAP in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung begleitet und unterstützt.

Mitglieder der NAP-Arbeitsgruppen

Komplexe Erfolgsgeschichte

Auf einer nahegelegenen Versuchsfläche demonstrierte der Pflanzenschutzdienst NRW den Arbeitsgruppen sowohl langjährig etablierte als auch innovative Maßnahmen und technische Verfahren im integrierten Pflanzenschutz, deren Transfer in die Praxis unter anderem durch das Projekt „Demonstrationsbetriebe Integrierter Pflanzenbau" vorangetrieben wird. Die Basis des integrierten Pflanzenschutz Know-hows wird dabei unter anderem durch zahlreiche multifaktorielle Versuche, zum Beispiel komplexe Sortenversuche, generiert. An Versuchsparzellen mit Wintergerste wurde den Mitgliedern die Fragestellung des Integrierten Pflanzenschutzes demonstriert. Welchen Einfluss haben Saattermin, Sortenwahl und Pflanzenschutzmaßnahmen auf das Auftreten von Unkräutern, Ungräsern, Krankheiten und Schädlingen wie virusübertragenden Läusen? Der integrierte Pflanzenschutz ist ein hochkomplexes System aus unzähligen betriebs-, standort-, kultur- und jahresbedingten Komponenten und Maßnahmen.

Umwelt- und Anwenderschutz

An einer Zuckerrübenfläche bekamen die Mitglieder der Arbeitsgruppen erläutert, wie sich im integrierten Zuckerrübenanbau der Pflanzenschutzmitteleinsatz und das Risiko reduzieren lassen. Demonstriert wurden dabei unterschiedliche Techniken wie das Hacke-Band-Verfahren, Spot- und Patch-Spritzungen sowie reduzierte Flächenbehandlungen durch moderne und gleichzeitig autonome Robotiksysteme, die die mechanische und chemische Unkrautkontrolle in einem Gerät vereinen. Die Einhaltung von Abstandsauflagen zu sensiblen Ökosystemen, schützenswerten Strukturen und Oberflächengewässern durch moderne Technik und Teilbreitenschaltung, die sichere Befüllung der Pflanzenschutzspritze mit Close Transfer CTS-Systemen und die Reinigung der Spritze mittels kontinuierlicher Innenreinigung auf dem Feld rundeten die Exkursion mit Themen zum Risikomanagement beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ab.

Einsatz autonomer Hackroboter

Hubertus Velder, Demonstrationsbetrieb aus Rommerskirchen, stellte den praktischen Einsatz des autonomen Hackroboters Farming GT in Zuckerrüben auf seinen Betriebsflächen vor. Dabei ging er sehr anschaulich auf die Möglichkeiten der Pflanzenschutzreduzierung ein, ohne die Probleme solcher Techniken außer Acht zu lassen. Wetter- und Bodenbedingungen müssen passen, um die Zuckerrüben mechanisch unkrautfrei zu halten ohne dabei den Feldaufgang zu gefährden. Werden bei notwendigen Hackmaßnahmen im frühen Stadium der Rübe die zarten Pflänzchen verschüttet, droht letztlich ein erheblicher Ertragsausfall – damit fehlt das Geld, um eine solch kostenintensive Technik zu finanzieren. Für Velder liegen die Chancen des Einsatzes dieser neuen Techniken zur Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in einer situationsbezogenen Kombination von mechanischen und chemischen Verfahren – daher müssen in den nächsten Jahren noch ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um die mechanischen Verfahren zu flankieren und den Flächenertrag abzusichern.

Hacken und Spot Spraying

Innovationen in die landwirtschaftliche Praxis einzuführen, sei ein mehrjähriger Prozess, dem die voranschreitende Digitalisierung entgegenkommt. Die gezielte Kombination aus mechanischem und chemischem Pflanzenschutz bietet dabei eine ideale Möglichkeit zur Senkung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, allerdings müssten neben dem Farming GT noch weitere Innovationen für andere Kulturen wie Getreide folgen. 

Dass es Betriebsleiter Velder ein großes Anliegen ist, die Erfolge des Integrierten Pflanzenschutz voranzubringen, zeigt sein unermüdlicher Einsatz im Projekt seit fast 15 Jahren. Kritische Stimmen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und zur Umsetzung von Reduktionsmaßnahmen stören ihn dabei nicht, wohl aber polarisierende Aussagen zum Pflanzenschutz: „Wer in Gremien zu Landwirtschaft und Pflanzenschutz polarisiert, arbeitet kontraproduktiv im Hinblick auf Fortschritt, Innovation und Verständnis für Pflanzenschutz in Politik und Gesellschaft“. 

Biodiversitätsmaßnahmen managen

In der Sitzung in Haus Düsse befasste sich die Arbeitsgruppe „Risikoreduzierung Umwelt“ schwerpunktmäßig mit dem Thema Pflanzenschutz und Biodiversität. Die Mitglieder erhielten Informationen aus erster Hand. Markus Reinders von der der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft stellte Hintergründe, Maßnahmen und Konzepte zur Biodiversitätsförderung vor. Dass dem Artenrückgang in der Landwirtschaft nur durch Biodiversitätsförderung in der Landwirtschaft gemeinsam mit Landwirten und somit nur durch aktive Landnutzung entgegnet werden kann und dabei die Maßnahmen sowie den Umfang vorgeben, zeigte er anhand von zahlreichen Praxisbeispielen. Für eine effiziente und erfolgreiche Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen sind dabei ein gemeinsames Ziel, die Kooperation aller beteiligten sowie der Ausgleich von Kosten und Nutzen notwendig. Das belegt die erfolgreiche Umsetzung qualitativ hochwertiger Maßnahmen der Stiftung. Dass standortspezifische Biodiversitätsmaßnahmen positive Wirkungen auf den Zustand von Biotopen und Artenzahlen haben, zeigen begleitende Monitorings und kontinuierliche Flächenkontrollen inklusive Artenaufnahmen zahlreicher wissenschaftlicher Begleitprojekte. Die fachliche und situationsbezogene Beratung durch die Rheinische oder Westfälische Stiftung, Biodiversitätsberatung und regionale Biostationen seien dabei die Basis des Erfolgs wie Peter Gräßler von der Biodiversitätsberatung der Landwirtschaftskammer NRW im anschließenden Vortrag unterstrich.

Aus der Sicht des Praktikers Andreas König sei eine Biodiversitätsmaßnahme wie eine Ackerkultur zu managen, um den Erfolg für die jeweiligen Zielarten zu erreichen. Dafür wünscht er sich die entsprechende Flexibilität in Abstimmung mit seinem Biodiversitätsberater und der Biologischen Station vor Ort. Entwickeln sich die eingesäten Brachen und Kulturen nicht wie gewünscht, sollte ein vorzeitiges Mulchen von Brachen erlaubt sein. Auch den innovativen Einsatz von Drohnen zur Kartierung von Problemunkräutern wie Ackerkratzdisteln in Zuckerrüben hat König auf seinem Betrieb bereits getestet – gezielt können jetzt 8 % der Fläche behandelt werden, um nicht später auf 100 % Pflanzenschutzmittel einsetzen zu müssen.

Zusammen mit Landwirten und Beratern aus der Region erörterten die Mitglieder, mit welchen Maßnahmen Biodiversität gemeinsam mit landwirtschaftlichen Betrieben in der Agrarlandschaft gefördert werden kann.

Andrea Claus und Dr. Jonas Hett, 
Landwirtschaftskammer NRW