Der Lehrgang Bauernhoferlebnispädagogik feiert in NRW zehnjähriges Jubiläum
Was einst als Idee begann – Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Landwirtschaft mit allen Sinnen erlebbar zu machen –, ist heute ein lebendiges Netzwerk voller Engagement und Begeisterung. Bereits seit zehn Jahren gibt es den Lehrgang Bauernhoferlebnispädagogik der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Das wurde am Donnerstag vergangener Woche mit rund 90 Gästen bei einer Jubiläumsveranstaltung im Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse gefeiert.
Am Vormittag desselben Tages hatten die 39 Teilnehmenden des zehnten Kurses – darunter 34 Frauen und fünf Männer – ihre Abschlusszertifikate erhalten. Damit haben seit 2016 mehr als 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die zwölftägige Qualifizierung absolviert, die den Einstieg in die Einkommensalternative „Bauernhofpädagogik“ vermittelt. Der Kurs wurde von Beginn an durch das Land NRW gefördert.
Landwirtschaft mit allen Sinnen erlebbar machen: Das ist das Ziel der Bauernhoferlebnispädagogik.
Rund 90 Gäste feierten gemeinsam das Jubiläum der Bauernhofpädagogik auf Haus Düsse.
Wertvolle Arbeit
Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen sprach ein digitales Grußwort und gratulierte zum Jubiläum: „In einer Zeit, in der viele landwirtschaftliche Betriebe mit einem kritischen oder sogar negativen Bild in der Gesellschaft zu kämpfen haben, ist Ihre Arbeit besonders wertvoll. Sie zeigen, was Landwirtschaft wirklich leistet. Sie machen sichtbar, was hinter unserer Lebensmittelproduktion steckt. Ich möchte Sie ermutigen, weiterhin schwierige Themen anzusprechen und die Hürden aufzuzeigen, mit denen Landwirte und Landwirtinnen jeden Tag konfrontiert sind.“
Der Präsident der Landwirtschaftskammer Karl Werring hatte am Vormittag noch die Zertifikate an die Teilnehmenden des diesjährigen Kurses übergeben und dankte nun allen Bauernhofpädagoginnen und -pädagogen: „Wir haben vor zehn Jahren mit der Vision begonnen, die Verbindung von Landwirtschaft und Bildung zu stärken. Wir wollten Kindern und Erwachsenen gleichermaßen die Möglichkeit geben, die Landwirtschaft hautnah zu erleben und ein tieferes Verständnis für die Herkunft unserer regional produzierten Lebensmittel zu entwickeln. Heute können wir mit Stolz sagen, dass diese Vision Wirklichkeit geworden ist.“
Anschließend hielt Christine Hamester-Koch, Pionierin, Trainerin und Coachin für Bauernhofpädagogik, einen Impulsvortrag. Die Schleswig-Holsteinerin ist als Referentin von Beginn an ein wichtiger Teil des Kurses der Landwirtschaftskammer: „Wir haben erlebt, dass ein Stall mehr lehren kann als ein Klassenzimmer. Dass ein Acker mehr erklärt als jedes Schulbuch und dass die Hand im Teig mehr versteht als der Kopf im Heft.“ Die Bauernhofpädagogik habe es nicht immer leicht und kämpfe mit Widerständen, Zweifeln und Bürokratie. „Mit den zehn Jahren Jubiläum feiern wir heute nicht nur uns allein, sondern eine Bewegung, die stärker ist als Zweifel und größer als jeder Widerstand. Wir sind die, die Landwirtschaft in die Herzen tragen. Wir zeigen, dass Bauernhöfe nicht nur produzieren, sondern auch berühren“, machte sie deutlich und bedankte sich für die letzten zehn Jahre Zusammenarbeit bei der Landwirtschaftskammer.
Die Kohle muss stimmen
Als Referentin habe sie den Anspruch, dass die Bauernhofpädagoginnen und -pädagogen kompetent sind und gute Arbeit leisten. „Aber auf der anderen Seite muss die Kohle stimmen. Wir brauchen in der Landwirtschaft verschiedene Einkommenssäulen und Kompetenz braucht ein Honorar!“ Als positives Beispiel nannte sie aktuelle Entwicklungen in ihrem Heimatbundesland Schleswig-Holstein. Dort werden Ausflüge von Grundschulklassen mit 100€ pro Hofbesuch unterstützt plus 5€ pro Kind. „Das reicht nicht, aber es ist ein Anfang“, freute sich Christine Hamester-Koch. Für die Arbeit mit Klassen der Sekundarstufe I und II in der Schule oder auf dem Betrieb würde die Landwirtin oder der Landwirt 400€ pro Vormittag erhalten. Sie rief dazu auf: „Engagieren Sie sich bitte, damit das in NRW bald genau so läuft.“
Rechts: Christine Hamester-Koch ist Pionierin, Trainerin und Coachin für Bauernhofpädagogik und als Referentin von Anfang an ein wichtiger Teil des Kurses der Landwirtschaftskammer NRW.
Pädagogin der ersten Stunde
Im nächsten Vortrag sprach Claudia Greshake über Bauernhoferlebnispädagogik früher und heute. Sie selbst ist bereits 2004 in die Bauernhofpädagogik gestartet, als die damalige Landwirtschaftsministerin dazu aufgerufen hatte, dass landwirtschaftliche Betriebe ihre Hoftore für Schulklassen öffnen sollten. „Kurz vorher hatte sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof gegründet, aber es gab ansonsten nichts“, erinnert sie sich. Die Landwirtschaftskammer habe dann 2008 den allerersten Kurs Bauernhoferlebnispädagogik ausgerufen, an dem sie teilgenommen hat. Seitdem – also seit 17 Jahren – treffen sich die Teilnehmenden dieses Kurses zweimal pro Jahr auf den verschiedenen Höfen für kollegialen Austausch und Weiterbildungen. „Die Landwirtschaftskammer hat dann eine Pause gemacht. 2016 ging es weiter und so feiern wir heute diese zehn Jahre Ausbildung Bauernhoferlebnispädagogik am Stück. Ich sehe nach über 20 Jahren Lernort Bauernhof, dass wir uns in NRW in guten Strukturen befinden. Wir sind untereinander unfassbar gut vernetzt“, freut sich Claudia Greshake.
Aber es gebe auch einige Herausforderungen. „In den letzten Jahren explodieren die Buspreise, was dazu führt, dass Schulklassen nicht mehr auf die Höfe kommen“, kritisierte sie und rief dazu auf, sich darum zu kümmern, dass der öffentliche Personennahverkehr nicht weiter ausgedünnt wird. Aus Sicht der Bauernhofpädagogin wird Bildungsarbeit auf landwirtschaftlichen Betrieben außerdem stark benachteiligt, weil die Betriebe 19% Umsatzsteuer zahlen müssen. „Unsere Bildungsarbeit wird als Dienstleistung eingestuft. Bildung ist Bildung und es kann nicht sein, dass Bildung auf Höfen anders besteuert wird als zum Beispiel in Museen“, bemängelte sie.
Hof inklusiv gestalten
Im Gegensatz zu Claudia Greshake sind Linda und Simon Lammers noch nicht so lange in der Bauernhofpädagogik unterwegs. Sie haben im letzten Jahr den Lehrgang absolviert und ihr Zertifikat erhalten. „Wir haben nicht nur gelernt, wie man Jahreskurse führt, sondern warum es sich lohnt, Bauernhofpädagogik zu machen“, berichtet Simon Lammers. „Dann kam der nächste Tag nach der Zertifikatsübergabe. Wir hatten Hunderte Ideen, aber auch Tausende Fragen“, erinnert sich Linda Lammers. Dass Bauernhofpädagogik ein langer, aber schöner Weg ist, hat das Ehepaar dann bei der praktischen Umsetzung auf dem eigenen Hof gemerkt. Die Begegnung mit einer Gruppe von Menschen mit Beeinträchtigung hat die beiden besonders nachhaltig geprägt. „Den Weg vom Parkplatz zu den Ställen haben wir mit Holzhackschnitzeln ausgelegt, was schön aussah“, berichtet Simon Lammers. Doch sie hatten nicht so weit gedacht, dass das nicht für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Daraufhin haben sie einiges auf ihrem Hof verändert, um inklusiver zu werden. „Denn Bauernhofpädagogik ist für alle“, ist sich Simon Lammers sicher.
Die Brückenbäuerin
Bauernhofpädagogik ist vielseitig: Dazu gehört die Arbeit mit Kindern, Menschen mit Beeinträchtigung und Erwachsenen. Auf die Zielgruppe Erwachsene hat sich Birgit Sparenberg spezialisiert. Als „Die Brückenbäuerin“ bietet sie Familienaufstellungen, Coachings und Workshops zur Stressprävention an. „Ich bin die mit dem Gefühl für Menschen“, sagt sie von sich selbst. Ihre Zielgruppe sind Multiplikatoren aus der landwirtschaftlichen Branche, aber mittlerweile hat sich ihr Kundenkreis darüber hinaus erweitert. „Ich sehe mich als Katalysator, weil ich Impulse gebe, damit die Menschen aus sich heraus fähig sind, anders zu denken, zu fühlen und zu handeln“, erklärte sie ihre Arbeit.
Neben diesen Vorträgen gab es noch weitere Bauernhofpädagoginnen und -pädagogen, die auf der Bühne über ihre Arbeit gesprochen haben. Darunter Janina Winkes aus Herzogenrath, die auf ihrem Erlebnisbauernhof viel Wert auf Nachwuchsförderung legt und so jungen Menschen berufliche Perspektiven bietet. Außerdem sprach Sabine Stock, die sich sehr darum bemüht, ein Netzwerk zwischen den Bauernhofpädagoginnen und -pädagogen zu spannen. Heinrich Borkhoff berichtete, wie er die passende Nische für sich gefunden hat, und Karola Beerhues sprach über Bauernhofpädagogik für Erwachsene. Wie gut Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) und Bauernhof zusammenpassen, erläuterte Sandra Kreft. Im Anschluss an die Vorträge gab es beim gemeinsamen Abendessen Zeit für Gespräche und Austausch.
Katrin Bremer-John, LZ Rheinland