Proteine sind eine wichtige Nahrungsquelle für Mensch und Tier. Um die Proteingewinnung nachhaltiger zu gestalten, werden alternative Quellen zur Tierproduktion entwickelt. Lösungen werden aktuell in der Insektenmast oder der Herstellung von künstlichem Fleisch gesehen.
Die Wirtschaftsförderung des Kreises Viersen lud im März gemeinsam mit dem Interreg-Projekt Agropole Innovates zu einem Informationsnachmittag über die zukünftigen Möglichkeiten der Gewinnung von alternativen Proteinen ein. Über 70 Personen aus der Grenzregion und weit darüber hinaus nahmen mit großem Interesse an der Veranstaltung teil. Nach einer Begrüßung durch Dr. Anke Schirocki, Geschäftsführerin von Agrobusiness Niederrhein und Lead-Partner im Projekt „Agropole Innovates“, und Theo Lenzen, Projektleiter im Bereich Agrar- und Tierzuchtberatung der Wirtschaftsförderung Viersen, stellten verschiedene Referenten aus Deutschland und den Niederlanden ihre Forschung und ihre Ideen vor.
Kulturfleisch aus Bioreaktoren
Florentine Zieglowski von Respectfarms, einer niederländischen Firma, die Konzepte zur Produktion von Kulturfleisch entwickelt, war aus Amsterdam angereist. Die Vision des Unternehmens klingt futuristisch: In einigen Jahren sollen auf Bauernhöfen, auf denen heute noch Kühe, Schweine und Hühner leben, große Bioreaktoren installiert werden, in denen Fleisch auf einem Medium wachsen kann.
Respectfarms sieht in den landwirtschaftlichen Betrieben die notwendigen Voraussetzungen erfüllt: Dazu gehören nicht nur die Tiere und deren richtige Pflege, von denen Zellen durch Biopsien gewonnen werden können, sondern auch die weitere Infrastruktur, wie Energiequellen und Hygienewissen, aber auch die Abfallentsorgung und die damit verbundene Kreislaufwirtschaft.
Insektenproduktion in vollem Gange
Willem van Hoof von BlueHub, Partner im Projekt „Insect Valley Europe“, informierte über Chancen und Herausforderungen und den aktuellen Stand der Insektenmast in niederländischen und internationalen Unternehmen. Insect Valley Europe ist ein Netzwerk von niederländischen Unternehmen, die Insekten produzieren. Ziel von Insect Valley Europe ist es, eine effektive Partnerschaft von Institutionen und Unternehmen zu bilden, um Unternehmen, die bereits Insekten produzieren, durch Wissenstransfer weiterzuhelfen und interessierte Investoren über die Chancen der Insektenproduktion zu informieren. Die Regionen Nord-Limburg und Ost-Brabant könnten hierfür geeignete Standorte sein, um Fachwissen über die Insektenzucht zu erwerben und dieses Wissen in den Rest der Welt zu exportieren.
Insekten sind sehr genügsam und können auf fast allen organischen Stoffen wachsen und sich vermehren. Das bei der Insektenmast gewonnene Eiweiß wird zum größten Teil in der Tierfutterproduktion eingesetzt, aber auch für Kosmetika und im kleineren Maßstab für den menschlichen Verzehr hergestellt. Über die Insekten ist es möglich, hochwertiges Protein an Nutztiere zu verfüttern, das aktuell zum Beispiel vor allem aus der Sojaproduktion in Südamerika stammt. Dabei muss das Futter für die Insekten anerkannten europäischen Standards entsprechen. Damit soll sichergestellt werden, dass vom Futter keine Krankheitserreger auf die Tiere und dann auf die Menschen übergehen. Rückblickend hat es das mit der BSE Krankheit schon gegeben. Insekten für die Nutztierproduktion dürfen daher nicht mit Abfällen aus der Lebensmittelindustrie und mit tierischen Restströmen, wenn sie an Nutztiere verfüttert werden, gemästet werden. Restströme von Pflanzen aus der Landwirtschaft können dagegen verwendet werden. Dabei bleibt die Hoffnung, dass es in Zukunft eine regulatorische Veränderung hin zu mehr Futtermöglichkeiten geben könnte. Auf eine regulatorische Veränderung hin zu mehr Futtermöglichkeiten setzt auch Frederike Hertel, die gezeigt hat, dass sich Insekten auf Restströmen der Lebensmittelindustrie sehr gut vermehren. Gehaltvolle Restströme aus Schokoladenbestandteilen hatten dabei einen besonders hohen Masterfolg, dürfen aktuell aber aufgrund der Deklaration nicht verwendet werden.
Van Hoof sieht die Chancen für die Insektenproduktion insbesondere in der Nutzung von Restströmen. Der Vorteil ist deren höherwertige Nutzung von Restströmen, die in ihrer aktuellen Form nicht für den die Fütterung an Nutztiere oder den Menschen geeignet sind. Die Herausforderungen sieht er aktuell noch in den Europäischen Regulierungen, der Wirtschaftlichkeit und der limitierten Kooperationsbereitschaft der Produzenten. Initiativen wie „Start Insect“, das neue Projekt von Bluehub, könnten den Produzenten jedoch mehr Unterstützung bieten und eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Akteuren fördern.
Reststoff Insektenfrass
„Benefits of Frass“ ist ein Innovationsprojekt innerhalb von Agropole Innovates, bei dem Brightlands Campus Greenport Venlo und die Hochschule Rhein-Waal zusammenarbeiten. Die Hochschule Rhein-Waal erforscht die Auswirkungen von Insektenfrass als Düngemittel, während Brightlands Campus Greenport Venlo dieses Wissen und diese Informationen mit seinem Netzwerk teilt, unter anderem durch die Organisation von Veranstaltungen. Insektenfrass bleibt über, wenn sich die Insekten durch das Medium gefressen haben und beinhaltet Futterrückstände, Exkremente und Insektenbestandteile, wie Chitin. Dieser Frass soll gut als Dünger verwendbar sein und wird aktuell häufig in nicht kommerziellen Gartenanlagen als Bodenverbesserer eingesetzt, in Biogasanlagen verwertet oder kompostiert. Professor Dr. Florian Wichern von der Hochschule Rhein-Waal wies in seinem Vortrag darauf hin, dass Voruntersuchungen und erste Ergebnisse des Projekts zeigen, dass je nach Futterangebot der Insekten, die Nährstoffgehalte des Frass sehr unterschiedlich ausfallen können und bestimmte Inhaltsstoffe des Fass, insbesondere Nitrit, das Wachstum der Pflanzen auch beeinträchtigen können. Darüber hinaus kann Frass das Pilzwachstum im Boden fördern. In der weiteren Forschung des Teams soll untersucht werden, wie sich unterschiedlicher Frass in verschiedenen Konzentrationen auf das Wachstum der Pflanzen auswirkt.
Mehr Akzeptanz für Insekten
Frederike Hertel von Mars Viersen und Nikolai Mevissen von CM Umwelt nutzten die große Besucherzahl, um Antworten zu Kenntnis und Akzeptanz von Insekten zu gewinnen. Dabei zeigte sich, dass sich das Publikum aus Personen mit sehr unterschiedlichen fachlichen Hintergründen zusammensetzte: Insektenproduzenten, Vertreter von Hochschulen, Unternehmensvertreter verschiedene Fachrichtungen bis hin zu Landwirten waren der Einladung gefolgt. Zur Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz gingen die Meinungen weit auseinander. Einig waren sich aber alle, dass Insektenprodukte noch weit davon entfernt sind, für die menschliche Ernährung eine weite Verbreitung zu finden, konnten es sich als Futtermittel für Nutztiere aber vorstellen. Trotzdem waren zwei Drittel bereit, solche Produkte selbst zu probieren.
Im Rahmen des Projekts „ReProVie Regionale. Proteingewinnung. Viersen“, einer Initiative der Wirtschaftsförderung der Stadt Viersen und des Kreises Viersen, soll geprüft werden, wie eine regionale Reststromverwertung durch eine Großanlage zur Proteingewinnung mit Hilfe der Schwarzen Soldatenfliege aussehen könnte. Gespräche haben gezeigt, dass geeignete Reststoffströme in der Region verfügbar sind und auch bei weiteren Bausteinen, wie Investitionen, Standortvoraussetzungen, Energie und Vermarktungskonzept, gibt es positive Rückmeldungen.
Theo Lenzen ist zuversichtlich. „Wir freuen uns sehr über das große Interesse an diesem Thema! Unternehmer aus der Region sind bereit, mit uns in die Zukunft zu schauen und zu überlegen, wohin die Reise gehen kann. Wir sind sehr gespannt, wie sich der Kreis Viersen und die Grenzregion in den nächsten Jahren gerade im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft entwickeln werden und sind bereit, diesen Transformationsprozess aktiv zu unterstützen."
Quelle: Agrobusiness Niederrhein