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Bioschweine im Fokus

11.07.2025
Mastschweine auf Stroh

70 Landwirte, Berater und Vermarkter aus ganz Deutschland und den Niederlanden diskutierten aktuelle Entwicklungen am Bioschweinemarkt bei einer Tagung am 25. und 26. Juni, die gemeinsam vom Aktionsbündnis Bioschweinehalter Deutschland sowie der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und der Landesvereinigung Ökologischer Landbau Nordrhein-Westfalen organisiert wurde. 

In seiner Begrüßung würdigte Heinrich Rülfing als langjähriger Vorsitzender die über 15 Jahre im Wesentlichen von Praktikern getragene Arbeit des Aktionsbündnis Bioschweinehalter Deutschland e.V. (ABD), bei der man schwerpunktmäßig die Marktentwicklung in Richtung vollkostendeckender Erzeugerpreise beeinflusst. „Außerdem sind wir als ABD durch Gespräche und Kontakte mit Behörden, Verbänden und Politikvertretern mit die wichtigste Vertretung für die gesamte Bioschweinebranche in Deutschland und darüber hinaus“, erklärte Rülfing, der nicht mehr für eine weitere Amtszeit antrat. Im Rahmen der Tagung wurde Heinrich Rülfing für seinen außerordentlichen Einsatz gewürdigt.

Eine Stimme geben

Julia Schmidt, seit knapp eineinhalb Jahren Geschäftsführerin vom Bioland Landesverband NRW und seit Ende vergangenen Jahres auch der Landesvereinigung Ökologischer Landbau (LVÖ) NRW, bezeichnete den ABD als einen wichtigen Partner. „Wir schauen bei unserer Arbeit, was uns verbindet und gemeinsam stark macht“, betonte Schmidt, die zum Schluss ihres Grußwortes von einem jungen Bioferkelerzeuger berichtete, der seine Arbeit mit den Sauen nach der Umstellung als sehr angenehm beschrieb. „Biologische Schweinehaltung ist also nicht nur etwas für das Tier und die Umwelt, sondern auch für die Menschen“, schlussfolgerte Schmidt.

Dr. Sandra Düpjan vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie in Dummerstorf beschäftigt sich seit Jahren mit dem potenziellen Nutzen von Lautanalysen in der Schweinehaltung. Auch wenn das Schwein sehr anpassungsfähig sei, wisse man damit nicht, ob es sich in der jeweiligen Umwelt auch wohl fühlt. Daher werden das Verhalten und insbesondere die Lautäußerungen in verschiedenen Situationen geprüft, um ein Netzwerk zu trainieren, damit direkt gesehen werden könne, ob ein Schwein beispielsweise Stress habe oder nicht. 

„Dabei ist Wohlbefinden deutlich mehr als die Abwesenheit von Stress. Daher sollten auch positive Erfahrungen erkennbar sein“, erklärte Düpjan. In einem EU-Projekt mit erfassten 7 414 Lauten von 411 Tieren in 19 verschiedenen Situationen zum Training zeigte sich, dass Grunzen nicht immer positiv ist und dass sich die trainierte KI schwertut, die gleichzeitigen Lautäußerungen verschiedener Schweine zu unterscheiden, was Düpjan „Cocktail-Party-Effekt“ nannte. 

Das aufmerksame Auge und Ohr des Tierhalters können daher nicht ersetzt werden. Auch können Einzeltiere, die sich viel „äußern“, das Ergebnis verfälschen. „Außerdem muss dem Messen ein Handeln folgen, um im Anschluss mit erneuten Lautmessungen den Effekt der Veränderung zu prüfen“, gab Düpjan den Teilnehmenden mit auf den Weg.

Im praktischen Vergleich

Auf Haus Düsse wurden im Biosauenstall, in dem 45 Sauen, vor allem Topigs TN 70, nach Bioland- und Naturlandrichtlinien gehalten werden, drei verschiedene Abferkelbuchten mit Auslauf installiert, um zu prüfen, welches System sich am besten für freies Abferkeln eignet. Nach Jacqueline Dresbur von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zeigte sich, dass Abferkelbuchten, die Sauen stärken leiten und deren Struktur klarer vorgegeben war, etwas besser abschnitten. Wenn es eine vordefinierte Säugezone für die Sau gibt und die Bucht nicht zu groß ist, senkte das auch in anderen Versuchen die Verluste. 

Aufgrund der bislang nur kurzen Dauer der Versuche und Beobachtungen steht jedoch noch alles unter Vorbehalt. Auf Nachfrage zu den in den Ausführungsvorschriften der Tierschutztierhaltungs-Verordnung ausgewiesenen 200 cm Wenderadius für die Sau erklärte Dresburs Kollege Tobias Scholz, Sachgebietsleiter Schweine auf Haus Düsse, dass der Veterinär entscheidet, ob er dieses Maß verlangt. Im neuen Sauenstall der Zukunft plant Haus Düsse Buchten mit 200 cm und 160 cm Wenderadius, um hier fundierte Aussagen treffen zu können. 

Matthias Lippl vom Bildungs- und Versuchszentrum Ökologischer Landbau Kringell in Bayern betreut den im Jahr 2010 neu erbauten Biosauenstall von Beginn an. Die 40 gehaltenen Zuchtsauen sind zu 60 % Deutsche Landrasse. Der Rest verteilt sich auf Duroc und Schweizer Edelschweine. Im Lauf der Jahre wurden im Versuchszentrum mehrere bauliche Verbesserungen durchgeführt. 

Die anfänglich installierten FAT 2-Buchten wurden wegen deren schlechten Übersicht gegen BeFree-Abferkelbuchten getauscht. Da der Boden zu Hautverletzungen bei den Gelenken führte, wurde eine auf Epoxidharz basierende Gummischicht mit einem Zahnspachtel aufgetragen, was die Situation deutlich verbesserte. Im Ferkelnest gibt es mittlerweile eine Wärmeplattenheizung im Deckel, die Ferkel finden den warmen Platz mit einer Infrarot-Orientierungsbeleuchtung leicht. Die zunehmend häufigen Hitzephasen haben es erforderlich gemacht, mit Luftschläuchen für Abkühlung zu sorgen, was aber bei Temperaturen jenseits der 33 °C auch seine Grenze findet. Daher sollen zusätzlich noch Hochdruckvernebelungsanlagen installiert werden.

Von Anfang an

Bianca Haußner, Deutscher Tierschutzbund, erklärte, dass mit dem Tierschutzlabel (TSL) die gesamte Haltungskette vom Ferkel bis zum Mastschwein zertifiziert wird im Gegensatz zu vielen anderen Programmen der Haltungsform 4, bei denen das „Schweineleben erst mit 30 kg beginnt“. In vielen Bereichen liegen die Anforderungen im Biobereich deutlich über dem TSL, aber es gibt auch Bereiche, wo das Label strenger ist, wie zum Beispiel in Sachen obligatorische Kühlung oder engeres Tier-Fressplatz-Verhältnis. Zudem gibt es im Gegensatz zur EU-Bio-Verordnung auch Vorschriften für Transport und Schlachtung. 

Die Immunokrastration ist erlaubt, aber die meisten Betriebe wenden die Isoflurannarkose an. Es gibt auch viele Gemeinsamkeiten mit ökologischer Haltung, wie den Verzicht auf Schwanzkupieren, den eingestreuten Liegebereich sowie beim TSL-Premium-Standard auch Auslauf nach draußen und freies Abferkeln. „Leider wurde mit der Erweiterung der Tierhaltungskennzeichnungs-Verordnung auf fünf Stufen TSL „nur“ noch in Stufe 4 eingestuft und damit nicht mehr in der höchsten Stufe“, beklagte Haußner und ergänzte: „Gleichzeitig gibt es aber viele Label in der Stufe 4, die weitaus geringere Anforderungen stellen.“

Ab aufs Schweine-WC

Das von Anne Elkmann, bei Big Dutchman im Produktsortiment tätig, vorgestellte Havito-Konzept steht für ein Stallkonzept mit einer Schweinetoilette mit dem Ziel, nicht nur die Schweine möglichst tiergerecht zu halten, sondern auch die Emissionen zu vermindern. Der Stall, bisher nicht mit Auslauf konzipiert, zeichnet sich durch eine klar strukturierte Bucht mit planbefestigtem Boden in allen Bereichen aus. Die sich an den Fress- und Aktivitätsbereich anschließende Schweinetoilette, Produktname PigT, ist eine technische Einheit, die Kot und Urin unmittelbar nach der Ausscheidung trennt. Die festen Ausscheidungen verbleiben auf dem begehbaren Kunststoffband, während der Urin durch viele feine Ritzen sofort abfließt. Das Kunststoffband bewegt sich in Intervallen, so dass feste Teile in einen Kotkanal fallen. 


Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer NRW