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Die Direktvermarktung wird smarter

06.06.2025

Digitalisierung und Automation sind längst in der Landwirtschaft angekommen. Auch in der Direktvermarktung werden smarte Lösungen angesichts von Personalmangel und Kostensteigerungen immer interessanter. 

Mit diesem Thema beschäftigte sich das Seminar „Zukunftsorientiert & Smart: Neue Verkaufstechnologien für Direktvermarkter!“ Die Veranstaltung, zu der das Team vom Landservice der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Frühjahr in das Bildungszentrum Gartenbau und Landwirtschaft Münster-Wolbeck eingeladen hatte, bot am Vormittag Vorträge von Herstellern und Praktikern zum Thema „Von Selbstbedienungskassen bis zum Smart Store“ und am Nachmittag eine Produkt- und Ausstellerbörse für Direktvermarkter. Landservice-Beraterin Birgit Jacquemin freute sich gemeinsam mit ihren beiden Kolleginnen Lea Mußenbrock und Anna Eicker über das rege Interesse und die vielen Fragen zu den Vorträgen.

Wie die Digitalisierung die Direktvermarktung verändert, erläuterte eingangs Lea Mußenbrock. Als Hintergründe für den Einzug smarter Lösungen in die Hofläden nannte sie - neben dem steigenden Mindestlohn und dem fortschreitenden Fachkräftemangel - den Wunsch der Kunden nach Flexibilität. „Alles soll immer verfügbar sein!“ Das Smart Shopping gehe über die Verkaufsautomaten, die besonders in Coronazeiten boomten, hinaus. „Es gibt verschiedene Versionen, die für Direktvermarkter interessant sein können“, so die Referentin. 

Vom Automaten bis zum Smart Store

  • Die wohl einfachste Lösung ist ein Automatenladen, also mehrere Automaten für verschiedene Waren in einem Raum zusammengestellt, der 24/7 oder bei nächtlicher Vandalismusgefahr auch eingeschränkt begehbar ist. Hier ist zu berücksichtigen, dass häufig der Sonntag der frequenzstärkste Tag ist und dann bei Artikeln wie beispielsweise Grillfleisch im Sommer die Automaten häufig nachgefüllt werden müssen.
  • Der Hybridladen ist ein Hofladen, der zeitweise mit Personal und zeitweise ohne Personal bewirtschaftet wird. Für das smarte Shoppen müssen die Produkte entsprechend ausgezeichnet und Selbstscankassen vorhanden sein. Der Zugang wird für die Kunden in der personalfreien Zeit über eine Registrierung und Code oder ähnliches geregelt, wie beim Smart Store.
  • Das Smart Store ist ausschließlich für das Einkaufen ohne Personal konzipiert. Hier haben registrierte Kunden in der Regel einen Zugangscode zur Ladentür und können sich die Waren aus den Regalen nehmen. Vor Verlassen werden diese an einer Selbstscankasse, auch Self-Checkout genannt, erfasst und dann in der Regel bargeldlos bezahlt. 

Was gilt es zu berücksichtigen?

Bei der Frage, welche Form des modernen Verkaufs zum eigenen Unternehmen passt, seien das Produktsortiment, die Zielgruppe, der Standort, das Einkaufsverhalten der Kunden, die eigenen Mitarbeiterkapazitäten und der Wettbewerb zu berücksichtigen. Rechtliche Hinweise zum Smart Shopping gab Anna Eiker, denn es gibt einige Gesetze, die zu beachten sind. 

  • Beim Verkauf von Alkohol oder Tabakerzeugnissen zum Beispiel muss eine Alterskontrolle stattfinden, bevor der Zugriff auf die Produkte möglich ist. Dies könne durch EC-Karten oder Personalausweis/Führerschein an einem separaten Automaten oder an der Tür zu einem eigenen Raum innerhalb des Smart Stores erfolgen oder über eine Zugangsbeschränkung für den gesamten Laden. Überdies müsse das Jugendschutzgesetz in Auszügen für Kunden sichtbar ausgehängt werden.
  • Auch die Ladenöffnungszeiten sind gesetzlich geregelt, das ist Ländersache. In Nordrhein-Westfalen ist von Montag bis Samstag eine 24-Stunden-Öffnung möglich. Für Sonn- und Feiertage sei es allerdings bei personallosen Läden nicht eindeutig geregelt, betonte die Referentin. Die Umsetzung obliege den zuständigen Ordnungsämtern und so könne es von Kreis zu Kreis unterschiedliche Regelungen geben. Fünf Stunden an Sonn- und Feiertagen für Hofläden mit Kernsortiment aus selbst erzeugten landwirtschaftlichen Produkten seien aber erlaubt.
  • Sobald von den Kunden personenbezogenen Daten erhoben werden, beispielsweise bei der Registrierung für den Zugang zum Smart Store oder bei Kameraüberwachung, muss der Datenschutz beachtet werden. Hilfreich sind dabei oft die Anbieter der Hard- oder Software oder es gibt Checklisten, was alles zu beachten ist: Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Speicherbegrenzung, Vertraulichkeit, Rechenschaftspflichten.
  • Das Hygiene- und Lebensmittelrecht unterscheidet sich für den Smart Store nicht von anderen Direktvermarktungsformen. Es müssen auf den Produkten die Pflichtangaben nach der Lebensmittelinformationsverordnung gemacht werden. Bei der Hygiene gibt es Dokumentationspflichten unter anderem bezüglich Reinigung oder Kühltemperaturen.
  • Auch für Preisangaben gibt es Vorschriften, so muss immer der Grundpreis bezogen auf 100 g oder 1 kg beziehungsweise auf 100 ml oder 1 l angegeben werden. Die Bonpflicht besagt, dass ein Kassenbon gedruckt oder digital per QR-Code dem Kunden auf Wunsch mitgegeben werden muss. Und seit dem 1. Januar 2025 besteht Meldepflicht für Registrierkassen beim Finanzamt.

Hersteller präsentierten ihre Lösungen

Eine Software-Lösung für Smart Stores bietet die Firma Lokbest aus Wertingen. Dafür seien nur eine Tür am Laden und ein Stromanschluss erforderlich, erläuterte Firmenvertreterin Myriam Kim Haber. An der Zugangstür werde ein QR-Codelesegerät installiert. Über die Software kann der Ladenbetreiber alle Produkte mit ihrem Preis anlegen. Am Regal ist dann je Produkt ein Etikett mit Artikelbezeichnung, Preis und QR-Code zu finden. Die Kunden laden sich die App herunter und können sie nicht nur während des Einkaufs zum Ware-Scannen und Bezahlen nutzen, sondern schon vorab einsehen, ob ihre gewünschten Artikel verfügbar sind. Auch Gutscheine und Pfand sind einlösbar.

Die Firma LocaFox aus Bielefeld ist auf Kassensysteme mit Warenwirtschaft spezialisiert. Firmenvertreter Nils Bohnensteffen stellte Selbstbedienungskassen vor, die das Unternehmen für Einzelunternehmen bis zu kleinen Mittelständlern mit maximal zehn Filialen anbietet. Die Self-Checkout-Kassen, zu denen Hard- und Software geliefert werden, lassen sich einfach in bestehende Hofläden integrieren. Sie bieten verschiedene Zahlungsmöglichkeiten mittels Karte, Handy oder Bargeldautomat mit Wechselgeld. Bohnensteffen schätzte die Lage so ein: „Die Digitalisierung am Point-of-Sale wird weiter voranschreiten. Es ist essenziell, dass Direktvermarkter die modernen Möglichkeiten nutzen, um sich langfristig erfolgreich am Markt zu behaupten.“

Individuelle Lösungen für alle Ladentypen verspricht die Firma Kesseböhmer Ladenbau aus Bohmte. Sie liefert nicht nur Regale und sonstige Innenarchitektur, sondern auch Kassensysteme verschiedener Hersteller. Für bezahlbare Smart Stores gibt es ein modulares Baukastensystem, das unter anderem in 20- oder 30-Fuß-Container passt. Außerdem kann sich der Ladenbetreiber bei Planung und Konzepterstellung, Baugenehmigung und Fördermöglichkeiten begleiten lassen, erläuterte Firmenvertreter Marco Moncado.

Noch smarter als Smart Stores sind Selbstbedienungsläden, in denen die Kunden nach dem Prinzip Grab&Go einkaufen können. Das heißt, sie identifizieren sich am Eingang per Kundenapp, nehmen die Waren einfach aus den Regalen und verlassen den Laden wieder. Welche Produkte und wie viel sie genommen haben, wird von zahlreichen Kameras und Gewichtssensoren, unterstützt durch KI, in den Regalen beobachtet und registriert. Die Bezahlung wird automatisch über die App ausgelöst, erklärte Moncado. Solche Lösungen sind mit Investitionskosten von rund 2 000 €/m² nicht unbedingt für klassische Hofladenbetreiber interessant, sie wurden hier nur der Vollständigkeit halber genannt. 

Erfahrungen aus der Praxis

Besonders spannend für die Seminarteilnehmer waren die Erfahrungsberichte von Praktikern, die bereits Digitalisierung in ihrer Direktvermarktung nutzen. 

Smart Store mit der Lokbest-App

David Lietmeyer aus Recke, dessen Cateringfirma nicht nur Veranstaltungen beliefert, sondern auch Feinkost in Gläsern herstellt, betreibt einen 3 x 6 m-Container als Smart Store mit der Lokbest-App. Neben seinen eigenen Produkten können die Kunden dort unter rund 200 verschiedenen Lebensmitteln und Dekowaren wählen. Seine Kunden kommen gut mit der App klar. Zwar seien einige Senioren ein bisschen außen vor, aber dafür habe er neugierige Kunden hinzugewonnen. Produkte, die zuvor - im analogen Hofladen - etwas Beratung brauchten, laufen jetzt nicht mehr so gut. Aber insgesamt zeigte sich Lietmeyer sehr zufrieden. Die Arbeit des Putzens, Auffüllens und Kontrolle des MHD sei überschaubar. Nur zu Beginn sei das Einpflegen sämtlicher Artikel samt Fotos in das System arbeitsaufwendig. 

Smart Store im Franchise-Verfahren

Smart Store "Dorfladenbox"
Die Dorfladenbox steht an einem zentralen Platz in Enniger.

Beate Kreft hat beim Besuch in ihrer österreichischen Heimat die Dorfladenbox kennengelernt und betreibt seit gut zwei Jahren nun selbst eine in Enniger. Dieses Smart Store für regionale Produkte ist in einen klimatisierten 5 x 3 m-Container eingebaut, hat eine Kameraüberwachung und bietet den Kunden bargeldlose Bezahlung. Kreft ist Franchisenehmerin und hat nur den Aufwand, Lieferanten zu gewinnen und den Laden sauber zu halten. Marketing, Buchhaltung und Abrechnung sowie sonstige mit dem Geschäft verbundene Bürokratie nehmen die Anbieter den Franchisenehmern größtenteils ab. 

Die 51 Lieferanten aus dem 50 km-Umkreis bestücken den Laden selbständig – und zwar dann, zu welcher Tageszeit es ihnen passt. Über eine App werden sie informiert, wenn ihre Produkte knapp werden. Bei der Anlieferung buchen sie ihre gelieferten Waren über die App in den Warenbestand der Dorfladenbox. Auch die Einkäufer laden sich eine App auf ihr Smartphone, um Zutritt zum Store zu erhalten und ihre Waren zu scannen. Über die App können sie vorab prüfen, ob das gewünschte Produkt vorrätig ist. Falls nicht, bekommen sie eine Nachricht, sobald der Lieferant es aufgefüllt hat.

Smart Store mit Kundenanschluss

Familie Bürgers, die einen Milchviehbetrieb in Rheurdt bewirtschaftet, hatte zunächst mit der Direktvermarktung eigener und zugekaufter Produkte über Automaten am Hof Erfahrungen gesammelt. Dann kam die Gemeinde auf die Familie zu, da im Nachbarort Schaephuysen der letzte Lebensmittelladen geschlossen worden war. Für die gut 1 550 Einwohner betreiben die Bürgers nun seit Oktober einen Smart Store. Die Lösung mit Automaten kam für Carina Bürgers nicht infrage, da diese doch immer mal Störungen hätten und sie dafür nicht jedes Mal 4 km vom Betrieb nach Schaephuysen fahren wollte. 

Smart Store "Bürgers Markthütte"
Bürgers Markthütte als Smart Store sichert die Grundversorgung im kleinen Dorf Schaephuysen.

Auf 25 m² bietet „Bürgers Markthütte“ eine Grundversorgung inklusive Hygieneprodukte und andere Basics des täglichen Bedarfs, die über ein typisches Hofladensortiment hinausgehen. Carina Bürgers räumte ein, dass sie erstmal ein Jahr lang beobachten möchte, was läuft und was nicht. Zugang können sich die Kunden per Registrierung über QR-Code oder per EC-/Kreditkarte verschaffen; letztere Variante werde deutlich häufiger, geschätzt von 90 % der Kunden genutzt. An der Selbstbedienungskasse wird über Barcode auf dem Produkt per Karte bezahlt. Ein Automat für Heißgetränke und Sitzgelegenheiten vor dem Laden runden das Angebot ab und machen Bürgers Markthütte zum Treffpunkt in dem kleinen Dorf.

Als Besonderheit sind täglich von 10 bis 12 Uhr Mitarbeiter vor Ort im Smart Store, um gerade älteren Kunden beim Einkauf behilflich zu sein. Ohnehin müsse einmal täglich nach dem Rechten geschaut und die frischen Waren, wie Obst und Gemüse, gepflegt werden, da passe das ganz gut, meinte Carina Bürgers. Nachdem es in den ersten Monaten zunächst darum ging, dass technisch alles läuft, wolle sie sich nun verstärkt dem Marketing widmen, um die Kundenfrequenz im Smart Store zu erhöhen.


Sabine Aldenhoff/LZ Rheinland