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Ökolandbau NRW

Die Öko-Jungsau im Blick: Worauf ist zu achten?

26.07.2024

Mitte Juni fand auf Haus Düsse ein Seminar zu Öko-Jungsauen statt, in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und im Rahmen der Seminarreihe Tiergesundheit im Fokus, einer durch das BÖL geförderten Veranstaltungsreihe. Im Folgenden einige Eindrücke von der interessanten Veranstaltung.

Morgens traf sich die Gruppe von 25 Personen zum Vortragsteil des Seminars. Christian Disselmann von Topigs Norsvin eröffnete und stellte zunächst das Unternehmen vor. Topigs Norsvin verkaufte im letzten Jahr in Deutschland etwa 159 000 sogenannte Jungsaueneinheiten. 60% davon kamen als tatsächlicher Tierverkauf auf den Betrieben an, also als Zuchtläufer oder Jungsauen. Die anderen 40% sind Spermalieferungen für die Eigenremontierung auf den Betrieben. Disselmann berichtete weiter von 70 Zuchtmerkmalen in der Nukleus Herde, über 50% der Gewichtung beim Zuchtwert lägen aktuell bei Merkmalen für Robustheit und Mütterlichkeit - ein Grund, warum sich die Jungsau so gut für Biobetriebe eigne, so Disselmann weiter.

Ein anderer Faktor: In der Nukleusstufe wird viel Wert auf die Eigenleistung der Sau gelegt: Die Produktion erfolgt ohne Hormoneinsatz und ohne Beifütterung der Ferkel und den Einsatz von Ammen. So können die Sauen selektiert werden, die selbst genügend Milchleistung haben und unproblematische Geburten zeigen. Weiterhin ist das freie Abferkeln in den Nukleusbetrieben Standard, ebenso wie der Verzicht auf das Kupieren der Ferkelschwänze.

Nach seinen Erfahrungen arbeiten Biobetriebe primär mit der Wechselkreuzung für die Eigenremontierung, einzelne Betriebe halten jedoch auch eine eigene Kernherde. Den Vorteil der Wechselkreuzung sieht Disselmann in der Möglichkeit, dass alle Tiere im Bestand genutzt werden können, und sie damit auch für kleinere Betriebe in Frage kommt.

Eigenremontierung in der Praxis

Im zweiten Vortrag des Vormittags berichtete Martin Kötter-Jürß, Fachberatung Schwein bei Bioland e.V., von Erfahrungen aus der Praxis der Eigenremontierung. Er sieht insbesondere den stabilen Gesundheitsstatus als großen Vorteil der Eigenremontierung im Vergleich zum Zukauf von Jungsauen. Außerdem könne jeder Betrieb eigene Schwerpunkte in der Züchtung setzen, also die Sauen für die Nachzucht auswählen, die am besten zum Betrieb und jeweiligen Management passen. Die Möglichkeit bestehe beim Zukauf von Jungsauen nur bedingt, wenngleich der Zuchtfortschritt durch Zukauf immer schneller Einzug halten kann als bei Eigenremontierung. Die oft diskutierte Kostenersparnis sei hingegen nicht so gravierend wie häufig gedacht, so Kötter-Jürß. Die Eigenremontierung dürfe vom Arbeitsaufwand nicht unterschätzt werden. Wenn Jungsauen zugekauft werden, sollte auf einen Gesundheitsstatus des Vermehrungsbetriebes geachtet werden, der zum eigenen Betrieb passt. Eine weitere Besonderheit im Biobereich: „Nicht alle Sauengenetiken sind als Biotiere verfügbar, und der Zukauf von konventionellen Jungsauen ist bereits beschränkt und soll noch weiter verringert werden“, so der Referent.

Drei Biobetriebe mit Wechselkreuzung

Kötter-Jürß stellte drei Biobetriebe vor, die seit längerem erfolgreich selber in Wechselkreuzung remontieren. Allen Betrieben gemein: Eine sehr detaillierte Datenerfassung bei den Sauen in Form eines gut geführten Sauenplaners und der Erfassung weiterer Merkmale. Weiterhin eine mehrfache Kontrolle und Selektion der Zuchtläufer bis zur Jungsau. Bei den zukünftigen Jungsauenmüttern liegt der Schwerpunkt der Bewertung vorrangig bei funktionalen Merkmalen, beispielsweise der Aufzuchtleistung, der Ausgeglichenheit der Würfe oder auch dem Verhalten der Sau selber. „Wichtig bei Ferkel und Zuchtläufer sind den Betrieben neben einem guten Allgemeinzustand auch ein gutes Fundament mit korrekter Bein- und Klauenstellung sowie die Bonitur der Gesäugeleiste. Neben der Anzahl der Zitzen achten die Betriebe insbesondere auf die Verteilung der Zitzen am Gesäuge und die Positionierung der Gesäugeleiste. Ziel ist immer, dass die Saugferkel möglichst leicht an die Zitzen kommen können!“, fasste Kötter-Jürß zusammen.

Im Allgemeinen sei die Eigenremontierung im Biobereich gut möglich und recht weit verbreitet, schloss Kötter-Jürß ab. Wichtig sei neben einer für den Betrieb passenden Auswahl der Jungsauenmütter aber auch die Eingliederung und Haltung der Zuchtläufer. „Hier gibt es noch Optimierungsmöglichkeiten auf vielen Betrieben, sei es durch ein angepasstes Futter oder eine gezielte Vorbereitung auf die Keimflora des Betriebes durch eine gute Eingliederung in die Stammherde“, so Kötter-Jürß abschließend.

Eber gezielt auswählen

Susanne Rohde von der GfS stellte vor, welche Möglichkeiten eine gezielte Eberauswahl für Biobetriebe bieten kann. „Die GfS kauft Jungeber von den Zuchtunternehmen ein, wenn diese durch die Nachkommenprüfung laufen, erhöht sich die Zuchtwertsicherheit auf 80 bis 90%“, so Rohde. In der Nachkommenprüfung wird anhand der Mast- und Schlachtleistungen der Nachkommen die Einstufung der Prüfeber in die Bronze bis Platin Kategorien der GfS vorgenommen. Weiterhin erhalten die Eber dann einen Zuchtwert für Erbfehler, die Wurfqualität und die Fruchtbarkeit (gesamt geborene Ferkel). Pro Jungeber werden dabei etwa zehn Sauen mit „Testsperma“ belegt, und die erzeugten Ferkel mit Transpondern für die Weiterverfolgung gekennzeichnet. „Die GfS Erbfehlerermittlung hat in den letzten 20 Jahren dazu geführt, dass der Anteil auffälliger Ferkel aktuell nur noch bei 0,8% liegt, bei fast 9 000 Würfen, die im Jahr 2023 überprüft wurden“, so Rohde. 2003 lag die Quote noch bei 4% der überprüften Ferkel.

Für die Selektion auf Wurfqualität werden alle Würfe der Prüfeber in den ersten drei Tagen bonitiert und die Ausgeglichenheit, das Geburtsgewicht und die Vitalität des Wurfes subjektiv bewertet. Das Ergebnis findet sich auf dem Eberdatenblatt in Form von Sternebewertungen (* bis ***) wieder und kann somit für die Eberauswahl des Betriebes genutzt werden.

Laut Rohde sollten Bio-Sauenhalter bei der Wahl des Vorstufenebers insbesondere auf einen hohen Zuchtwert in der Saugferkelüberlebensrate achten und nicht auf die Fruchtbarkeitsleistungen. Sie empfiehlt grundsätzlich geprüfte Eber, um Erbfehler bei den Saugferkeln zu minimieren. Für die Wahl des Endstufenebers ist aus ihrer Sicht der Zuchtwert im Bereich Vitalität entscheidend sowie die Robustheit des Tieres. Robustere Tiere erkenne man häufig an einem etwas längeren Haarkleid, einer etwas höheren Speckauflage und häufig auch etwas dunklerer Grundfärbung, was auch einen gewissen Schutz vor Sonnenbrand mit sich bringen könnte, so Rohde.

Homogene Tiere für die Mast

Für den Mäster sind homogene Tiere wünschenswert, auch hier hilft der Einsatz geprüfter Eber. Weiterhin ist die Vermarktung der Tiere entscheidend für die richtige Eberauswahl. Die Kriterien, welche für die Abrechnung relevant sind, müssen also im Vorfeld besprochen werden. Auch hier gab Rohde ein paar Tipps für die richtige Eberauswahl: „Bei schwieriger Proteinversorgung ist ein Pietrain häufig im Vorteil, bei der Direktvermarktung hingegen spiele die Fleischqualität häufig eine größere Rolle, zum Beispiel im Sinne des intramuskulären Fettgehaltes (IMF). Und man soll auf die Leistungen im Bereich der Futterverwertung achten, da hier ein großer Hebel zur Kosteneinsparung liegt“, fasste sie zusammen. Grundsätzlich empfiehlt Rohde, mit gruppenweisen Testbelegungen Erfahrungen auf dem eigenen Betrieb zu sammeln, bevor die Genetik grundsätzlich in Frage oder sogar umgestellt werde.

Foto: Ulrike Westenhorst, LWK NRW


Ulrike Westenhorst, Landwirtschaftskammer NRW