Wie die Digitalisierung in der Schweineaufzucht Tierwohl und Tiergesundheit verbessert und dabei den Bürokratieaufwand der Landwirte verringert, das will das Modellprojekt „Pig Data“ im Rahmen des Interreg-Projekts „Agropole Innovates“ zeigen. Piglets Treatment System (PTS), ein kleines Unternehmen aus dem niederländischen Horst, hat das sogenannte Health System entwickelt.
Basis hierfür sind Ohrmarken, über die jedes Tier individuell erkannt werden kann, sodass sich Daten tierspezifisch erfassen, sammeln und auswerten lassen. Außerdem gehört zu dem Health System ein sogenannter Health Injector. Hierbei handelt es sich um ein Gerät, mit dem einzelnen Tieren Impfstoffe und Medikamente verabreicht werden können und das die Vergabe automatisch digital für jedes Tier einzeln erfasst. Dieser Health Injector ist gekoppelt mit einer Computeranwendung. Über die speziellen Ohrmarken erkennt das Gerät das Tier und weiß, ob dieses mit dem aktuell eingesetzten Präparat behandelt werden soll und wenn ja, wie viel es davon gespritzt bekommen soll. Der Veterinär kann somit einzelnen Tieren Medikamente verschreiben und dies im Computer eingeben. Der Health Injector wird anschließend nur bei diesen Tieren funktionieren und die verschriebene Medikation verabreichen.
Dieses System ermöglicht eine unkomplizierte einzeltierspezifische Rückverfolgbarkeit mit Daten von der Geburt bis zum Schlachthof. Die Datenerfassung soll neben der Medikamentengabe auch Gewichtsentwicklung, Futteraufnahme, Umgebungsdaten und Abstammung umfassen. Durch die kombinierte Auswertung dieser Daten können zum Beispiel die Futterverwertung optimiert, Informationen zur Verbesserung der Zuchterfolge abgeleitet und Transportbedingungen, wie Tierdichte, Temperatur und Ruhezeiten, verfolgt werden. Eine verbesserte Futterverwertung führt auch zu weniger Gülle und kann damit einen Beitrag zur Reduzierung der Stickstoffemission aus der Schweinhaltung leisten. Wichtig ist auch die bessere Planbarkeit der Lieferungen an den Schlachthof.

Foto: Agrobusiness Niederrhein
Interessant für Schlachthöfe
Aus diesem Grund beteiligt sich Brand Qualitätsfleisch aus dem niedersächsischen Lohne an dem Projekt Pig Data. Auch der Schlachthof ist an das System angeschlossen und profitiert von den Daten, stellt aber auch selber Daten zu den Schlachtergebnissen (Gewicht, Qualität, Gesundheitszustand der Tiere) als Information für die Landwirte ein.
Reduzierung des Aufzeichnungsaufwands
Heute schon gibt es eine umfangreiche Aufzeichnungspflicht für landwirtschaftliche Betriebe, die ein Bestandsregister mit Daten, wie Geburtsdatum, Verkauf, Futtergabe und Ergebnisse von Tierarztuntersuchungen, umfassen. Diese Daten werden in einer Datenbank eingegeben und sind den Kontrollbehörden zugänglich. Bei Schweinen werden diese Daten bisher nicht tierspezifisch erfasst. Durch das in diesem Projekt weiterentwickelte Health System werden erstmals vorhandene Pflichtaufzeichnungen und weitere tierspezifische Daten automatisch erfasst und zusammengeführt. Davon profitieren Landwirte, die so mit geringerem Dokumentationsaufwand den Transparenzanforderungen von Verbrauchern, Handel und Politik gerecht werden. Gesundheit und Wachstum der Tiere werden besser beobachtet. Die Rückverfolgbarkeit der Informationen vom Endverbraucher bis zum Futterlieferanten trägt darüber hinaus erheblich zur Lebensmittelsicherheit bei. Um das System weiterzuentwickeln, wird dieses in Kombination mit den Ohrmarken in landwirtschaftlichen Betrieben getestet.
Tests im Praxisbetrieb
Der erste teilnehmende Betrieb war Landwirt Heinrich aus Heinsberg. Er hat in 2023 die ersten Ferkel mit passenden Ohrmarken versehen und mit dem Health Injector geimpft. Familie Heinrich testet seitdem den Health Injector und das Softwaresystem und gibt Rückmeldung zur Handhabung sowie zu Wünschen in der Datenverarbeitung und -weitergabe. Brand Qualitätsfleisch installiert eine Empfängerantenne und schließt seine Datenerfassung an das System an. So werden Schritt für Schritt die Akteure entlang der Kette eingebunden.
Demnächst soll das Projekt einer Expertenrunde vorgestellt werden. Auch deren Einschätzungen und Rückmeldungen sollen in den Projektverlauf eingebunden werden.
Agrobusiness Niederrhein

Anke Schirocki von Agrobusiness Niederrhein (2.v.l.) besucht gemeinsam mit Twan Claessens von Piglets Treatment System (links) den landwirtschaftlichen Betrieb von Kurt Heinrichs (rechts), in dem der Health Injector getestet wird. Fotos: Agrobusiness Niederrhein