Mit „Braunkohlefolgelandschaftsthematik“ könnte man das Anliegen einer sehr speziellen Exkursion betiteln, die vergangene Woche zu sogenannten Feldlaboren des BioökonomieREVIER-Projektes „AgroInnovationLabs“ auf die Sophienhöhe am Tagebau Hambach im Rheinischen Revier geführt hat.
Weniger sperrig ausgedrückt bedeutet das, dass neue landwirtschaftliche Anbaumethoden und alternative Feldfrüchte auf eigens dafür aufgeschütteten Feldern an der Sophienhöhe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich untersucht werden. Die Intention der Wissenschaftler ist, herausarbeiten, wie Pflanzen auf nährstoffarmen Substraten ressourcenschonend und mit möglichst wenigen Nährstoffen und Wasser ertragreich angebaut werden können.

Auf der Sophienhöhe am Hambacher Tagebau hat RWE Power dem Forschungszentrum Jülich eine 6 ha große Fläche für pflanzenbauliche Versuche zur Verfügung gestellt. Fotos: Meike Siebel
Weltweit einzigartig
Das Feldlabor hat das Forschungszentrum Jülich (FZJ) auf Flächen der RWEPower auf einem Plateau der Sophienhöhe angelegt. „Wir haben die Fläche nach unseren Vorstellungen aufkippen lassen“, erläutert Prof. Dr. Ulrich Schurr, Institut für Pflanzenwissenschaften am FZJ. „Das bedeutet, dass wir den Boden hier so zusammengeschüttet haben, dass ein homogen schlechter Boden mit einer Mächtigkeit von 4,50 bis 6 m entstanden ist“, so der Pflanzenwissenschaftler. Es gebe zwar viele schlechte, sogenannte marginale Böden auf der Erde. Diese seien aber immer sehr heterogen und daher für Forschungszwecke nicht so gut geeignet. „Wir können hier Messungen an den Pflanzenwurzeln machen, die auch in 6 m Tiefe noch komplette Nährstofffreiheit vorfinden würden, wenn sie denn so tief wurzelten. Und das ist weltweit einzigartig!“, betonte Ulrich Schurr.
Auf den Flächen werden ein- und mehrjährige Kulturen angebaut und unter verschiedenen Düngeregimen getestet. „Es wird angesichts der klimatischen Veränderungen weltweit immer wichtiger, mit wenig Wasser und wenigen Nährstoffen möglichst effizient zu produzieren. Hier testen wir also eine ackerbauliche Kulturführung zu Wasser- und Nährstoffeffizienz unter künstlich geschaffenen Feldbedingungen.“ So würden zum Beispiel in den homogen kiesig-sandigen Grundboden verschieden hohe Anteile Lößboden eingemischt und geschaut, wie sich die Kulturen entwickeln.

Prof. Dr. Ulrich Schurr, hier mit einer Silphie in den Händen, zeigte sich begeistert von den definierten Bedingungen der Versuchsflächen. Diese sei weltweit für die Forschung auf marginalen Böden einzigartig.
Färberdistel, Steinklee und Miscanthus
Prof. Dr. Schurr und seine Kolleginnen und Kollegen experimentieren auf den Nullerböden und in den Düngevarianten unter anderem mit Steinklee, Miscanthus und Färberdisteln, also alles sehr trockenheitstoleranten Kulturen.
Einen Spezialisten für letztere Kultur haben die Forschenden aus Jülich in Burkhard Liesen gefunden. Der Landwirt vom Scheidtweiler Hof bei Nörvenich hat ebenfalls auf einigen Flächen mit eher mäßigen Böden mit Bodenpunkten um die 40 zu ackern und probiert daher schon länger den Anbau trockentoleranter Pflanzen aus. Auf seinem heimatlichen Ackerbaubetrieb betreibt er eine eigene Ölmühle, da die Färberdistel vor allem Öl liefert - für Industrie- und Speisezwecke, der Ölkuchen wird als Futtermittel vermarktet. „Die Distel ist aber auch eine super Quelle für weitere Rohstoffe. Ihre Fasern lassen sich gleichermaßen nutzen wie die Körner und das Stroh“, schwärmte Landwirt Liesen, der auf den Versuchsflächen auf der Sophienhöhe gemeinsam mit einigen weiteren Landwirten für die technische Umsetzung verantwortlich ist, sprich: Saat-, Pflege- und Erntearbeiten vornimmt.

Landwirt Burkhard Liesen ist mit seiner Expertise zum Anbau nachwachsender Rohstoffe gefragt. Hier erläutert er die Nutzungseigenschaften der Färberdistel.
Nährstoffeffizient düngen
Zur Pflege gehört vor allem die Düngung, die ein weiterer wichtiger Forschungsschwerpunkt auf der Hochebene ist. „Wir bringen flüssige organische Dünger, wie Gärreste aus Biogasanlagen, im Strip-till-Verfahren aus, legen also das Düngeband streifenförmig und ganz nah an der Pflanzenwurzel ab, sodass die Verluste minimiert werden“, erläuterte Burkhard Liesen, der dieses Verfahren auch auf seinen eigenen Flächen anwendet. Mit dem Auge des Wissenschaftlers beobachtet dieses Verfahren Dr. Arnd J. Kuhn. Er möchte klären, was sich auf marginalen, sehr schwachen Standorten durch die Düngerplatzierung im Band noch herausholen lässt. „Wir haben dazu verschiedene Düngevarianten angelegt. Wie entwickeln sich die Pflanzen ohne Nährstoffzugabe und mit abgestuften Nährstoffgaben? Neben der Distel probieren wir das noch in Miscanthus und Silphie als weiteren Faserpflanzen. Spannend ist für uns aber vor allem die Kulturführung bei Gerste, die wir hier oben als Zeigerpflanze in verschiedenen Parzellen ausgesät haben“, erklärte Kuhn. „Auf diesen Nuller-Böden sieht man den Effekt von einem Viertel, der halben oder vollen landwirtschaftlichen Standard-Düngung natürlich sehr schnell und deutlich!“ Ausgebracht würden dieses Jahr mineralischer Dünger und Gärrest.

Dr. Christina Kuchendorf untersucht in einer der Sickerwassersammelstellen die Proben auf Nährstoffauswaschungen. „Wir möchten wissen, was unter der Bodenoberfläche passiert“, so die Forscherin.
Gerste dient den Forschern des Instituts für Pflanzenwissenschaften als Zeigerpflanzen. An ihrem Aufwuchs sind die Düngeeffekte sehr leicht erkennbar.


Kohlenstoff als Bodenverbesserer
Dr. Arnd Kuhn macht außerdem Versuche mit verschiedenen Substraten, die verschieden hohe Kohlenstoffgehalte aufweisen. „Ein guter Ackerboden mit hohem C-Anteil von rund 2 % hat eine gute Ionenaustausch- und eine hohe Wasserhaltekapazität. Die wird nämlich durch einen hohen organischen Anteil erhöht! Das macht die Böden resilienter gegen Trockenheit und erleichtert die Wasseraufnahme, zum Beispiel bei Starkregenereignissen“, erläuterte Dr. Kuhn die Hintergründe. Als Beispiel nannte er die mindestens 500 Jahre alten Terra Preta-Böden in Südamerika, die reich an schwer abbaubaren C-Verbindungen seien. „Wie lassen sich die weltweit vorkommenden marginalen Böden fruchtbar machen und in Nutzung bringen? Unter unseren hier geschaffenen, definierten Bedingungen können wir dazu sehr gut mit der Ausbringung von Substraten mit verschieden hohen Kohlenstoffanteilen experimentieren“, nannte der Forscher einen Schwerpunkt seiner Arbeit.

Dr. Arnd J. Kuhn, links im Bild, stellte den Exkursionsteilnehmern die Vorteile C-reicher Substrate vor. Kohlenstoff ist ein effektiver Bodenverbesserer.

Verschiedene Substrate werden dem nährstoffarmen Boden in Versuchsparzellen untergemischt, um den Effekt auf Ionenaustausch und Wasserhaltekapazität zu untersuchen.
Wie geht es weiter?
In den nächsten Jahren ist das Plateau auf der Sophienhöhe ein Feldlabor mit Eigenschaften, die man sonst nie und nirgendwo bekommen würde und dessen Erkenntnisse sich in weltweiten Kooperationsprojekten einbringen ließen, so die Wissenschaftler des FZJ. Danach sei eine forstliche Nutzung, wie auf dem größten Teil der Sophienhöhe schon vorhanden, vorgesehen. „All das sind sinnvolle Zwischennutzungen, bis das Loch im Hambacher Tagebau mit Wasser vollgelaufen und die Seenlandschaft entstanden ist, die RWE und die anderen Beteiligten für die Zukunft im Revier vorsehen“, füllte Prof. Dr. Ulrich Schurr das Wort „Braunkohlefolgelandschaftsthematik“ abschließend noch einmal mit Inhalt.
Weitere Infos zu dem Exkursionstermin finden Sie auf der Seite des Forschungszentrums Jülich unter www.fz-juelich.de/Aktuelles.
Meike Siebel,
Landwirtschaftskammer NRW