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Ökolandbau NRW

Freies Abferkeln und Gruppensäugen - klappt das?

21.05.2025
Sau mit Ferkeln beim Säugen

Im März fand auf Haus Düsse ein Seminar zum freien Abferkeln statt, das in Kooperation der Landwirtschaftskammern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen durchgeführt wurde. 

Thies Nicolaisen ist Fachtierarzt für Schweine und an der TiHo Hannover beschäftigt. Er beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Frage, welche – aus wissenschaftlicher Sicht – günstigen Verhaltensweisen und Eigenschaften eine Sau für die freie Abferkelung mitbringen sollte. In seine Ausführungen flossen unter anderem verschiedene Projektergebnisse ein, zum Beispiel aus dem Projekt Innopig (freie Abferkelung) und FreeSow (Sauenverhalten).  Hier sind einige Ergebnisse:

  • Im Innopig-Projekt wurden die meisten Ferkel durch Rollbewegungen der Sau erdrückt (68%), deutlich weniger Vorfälle gab es durch ein Hinlegen der Sau nach dem Sitzen oder nach dem Stehen (18 und 11%)
  • Die Wurfgröße hat unmittelbaren Einfluss auf die Ferkelsterblichkeit: Je mehr Ferkel eine Sau hat, desto schlechter wird der Kontakt der Sau zu den Ferkeln, ersichtlich durch weniger Schnüffeln und weniger Reaktionen auf Schreie. Die Sau steht außerdem häufiger auf, um dem Säugen zu entgehen, und bricht Saugakte häufiger ab
  • Es gibt mehr Verluste, wenn die Sauen das Abferkelsystem noch nicht kennen.
  • Zuchtunternehmen haben teilweise Verhaltenstests für die Sauen in ihr Zuchtprogramm aufgenommen, wie zum Beispiel die Reaktion in Stresssituationen. Sie beobachteten auch, dass die Aggressivität gegenüber Personal nur gering vererblich ist.
  • Sauen legen unter natürlichen Bedingungen vor der Geburt 2,5 bis 6,5 km zurück, was einen hohen Bewegungsdrang zeigt, der ausgelebt werden möchte.
  • Zur Befriedigung des Nestbauverhaltens (NBV) können auch alternative Materialien (Jutesack) einen positiven Einfluss haben, fehlende Nestbaumöglichkeiten haben allerdings messbar negative Auswirkungen:
  • Ferkelbeißen tritt häufiger in Kastenstandhaltung auf (kein NBV möglich)  
  • längere Geburtsdauer und unruhigere Geburt
  • weniger Hormonbildung für Kolostrum, Geburtsdynamik und mütterliches Verhalten 

Freie Systeme gestalten

Dr. Werner Hagmüller, Tierarzt und Stallbauberater aus Österreich, stellte freie Abferkelsysteme aus Österreich und Deutschland vor. Hier einige seiner Empfehlungen zur Gestaltung:

  • Liegebereich für die Sau sollte etwa 2 m x 2,30 m betragen
  • während der Abferkelung eine Temperatur von mindestens 15°C anstreben
  • atmungsaktives Material für Kistendeckel verwenden
  • gute Erreichbarkeit des Ferkelnestes sicherstellen: breite Öffnung, begrenzte Tiefe, guter Verschlussmechanismus
  • Bodenqualität als entscheidender Faktor (Standsicherheit für die Sau, aber auch möglichst geringe Verletzungsgefahr für die Ferkel)
  • viele Buchtentypen können funktionieren, wenn Funktionsbereiche vollständig abgebildet werden; das bedeutet: Sauengenetik und Management sind entscheidender als das Buchtendesign.

Ein Blick in die Praxis

Zum Abschluss des Seminars stellte Cornelius Grote, Bioferkelerzeuger aus Niedersachsen, seinen Betrieb mit Gruppensäugen vor. Er arbeitet im Drei-Wochen-Rhythmus mit Einzelabferkelung für eine Sauengruppe und Gruppensäugebuchten für zwei Sauengruppen. In der Einzelabferkelung setzt Grote auf Bewegungsfreiheit für die Sau und ein warmes Ferkelnest. Hier hat er seit der Umstellung auf Bio auch schon nachgebessert, um den Ferkeln mehr Wärme zur Verfügung zu stellen. Mit der Annahme des Nestes ist er jetzt zufrieden. Im Liege- und Aktivitätsbereich der Sau hat er verschiedene Abliegehilfen für die Sau und Abweisbügel installiert, die der Sau das Abliegen erleichtern und den Ferkeln die Möglichkeit des Ausweichens bieten, wenn sich eine Sau direkt an der Wand ablegen möchte oder dort den Weg für die Ferkel versperrt. 

Sauen mit Ferkeln beim Säugen
Je mehr Ferkel eine Sau hat, desto schlechter wird der Kontakt der Sau zu den Ferkeln. 

Für das Gruppensäugen teilt der Landwirt die Abferkelgruppe in zwei mal vier Sauen auf, entsprechend Alter und Kondition der Tiere, und hat gute Erfahrungen mit dem System gemacht. Probleme durch Fremdsäugen oder Nachteile für schwächere Ferkel beobachtet er kaum. 

Wichtig sei eine individuelle Fütterung der Sauen im Gruppensäugen, was er durch Selbstfang-Fressstände erreicht. Auch die Futteraufnahme der Ferkel sei ein entscheidender Faktor. Im Gruppensäugen können die Ferkel bei den Sauen mitfressen und bekommen zusätzlich im separaten Ferkelbereich Ferkelfutter angeboten.


Ulrike Westenhorst,
Landwirtschaftskammer NRW