Steht erst kurz vor Renteneintritt fest, dass der eigene Betrieb nicht übernommen wird, ist eine ausreichende Altersversorgung oft nicht mehr möglich.
Das Thema Hofnachfolge beschäftigt Familie Meyer schon lange. Die Eheleute sind beide 55 Jahre alt und noch ein ganzes Stück vom Rentenalter entfernt. Doch schon jetzt ist klar, dass keines ihrer Kinder den Betrieb mit 350 Sauen weiterführen wird. Es stellt sich die Frage, wie die Eheleute finanziell langfristig abgesichert sind.
Im Rahmen einer Hofübergabe würden Altenteilsleistungen – Wohnrecht und Baraltenteil – vereinbart werden. Die Kosten der Altenteilerwohnung, wie zum Beispiel Nebenkosten, Reparaturen und Grundsteuer, trägt im Regelfall der Nachfolger. Die Altenteiler bezahlen oft nur die Schönheitsreparaturen. Über das Baraltenteil würde zudem ein monatlicher Geldbetrag an die Eheleute fließen. Ohne Nachfolger fallen jedoch diese beiden Positionen weg. Im Ergebnis müssen die Meyers sämtliche Kosten für Wohnhaus und sonstige Lebenshaltung selbst tragen.
Zudem erhalten die Eheleute zusammen nur 1 100 € Altersrente pro Monat aus der landwirtschaftlichen Alterskasse. In den relativ niedrigen Renten steckt jedoch die Annahme, dass ein Nachfolger den Betrieb übernimmt, Baraltenteil zahlt sowie die Altenteilerwohnung und den Rest des Wohnhauses finanziert. Läuft der betriebliche Teil aus und geht zum Beispiel in die Verpachtung über, müssen die verbleibenden betrieblichen Festkosten, wie etwa Versicherung, Abschreibung und Reparaturen, durch die Pachteinnahmen für Flächen und eventuelle Wirtschaftsgebäude gedeckt werden.
Umfang und Struktur der Eigentumsflächen sowie das regionale Pachtpreisniveau bestimmen maßgeblich die realisierbaren Pachteinnahmen: Viele ha Acker in einer Region mit hohem Pachtniveau bringen mehr als wenige ha Grünland in einer Niedrigpreis-Region. Das Fremdkapital sollte beim Ausstieg möglichst vollständig getilgt sein, da die Pacht selten ausreicht, um noch Darlehen bedienen zu können. Wenn für den Betrieb in der Liquidität eine schwarze Null geschrieben werden kann, ist oft schon viel erreicht.
Drei Beispielszenarien
Mit Hofnachfolger und Altenteilsleistungen – Wohnrecht und etwa 700 €/Monat Baraltenteil – stünden im Beispiel zusammen mit den Renten der Eheleute Meyer rund 1 800 €/Monat auf der Einnahmenseite. Das ist das Szenario 1 in Tabelle 1. Zusammen mit den sonstigen Lebenshaltungskosten schlagen rund 2 100 €/Monat an Ausgaben zu Buche. Unterm Strich fehlen im Beispiel rund 300 €/Monat – trotz geregelter Hofnachfolge. Hier besteht bereits die Notwendigkeit einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge, um diese Lücke dauerhaft zu schließen. Ohne Baraltenteil und Wohnrecht fehlen monatlich knapp 2 000 €, nur um alles bezahlen zu können – Szenario 2. Ob zukünftig inflationsbedingte Kostensteigerungen durch Rentenerhöhungen aufgefangen werden können, ist fraglich. Insofern kann sich die Lücke sogar noch vergrößern.
Wie also das Defizit auffangen? Ein möglicher Schritt könnte die Vermietung der Betriebsleiterwohnung sein, die nicht für einen Hofnachfolger benötigt wird – Szenario 3. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob eine Vermietung gewünscht ist und zu welchen Konditionen vermietet werden kann. Immerhin lösen die Geldüberschüsse aus der Vermietung im Beispiel unter Berücksichtigung der Grundfreibeträge und Sonderausgaben noch keine Einkommensteuer aus. Doch auch in dieser Variante bleibt ein Geldbedarf von rund 1 400 €/Monat.
Kleine Schritte, große Wirkung
Wer früh anfängt, mit monatlichen Beträgen Vermögen aufzubauen, kann langfristig erhebliche Summen erzielen. Die private Altersvorsorge wird sicherheitshalber direkt so aufgebaut, als ob der Betrieb Jahrzehnte später nicht weitergeführt würde, wenn selbst das Rentenalter erreicht wird. Die passende Anlageform hängt vom individuellen Risikoprofil und den jeweiligen Präferenzen ab. Bei festverzinslichen Kapitalanlagen – wie Tagesgeld, Festgeld oder Bausparverträgen – liegen die durchschnittlichen Renditen oft im Bereich von 2 bis 4 % vor Steuern, bei Aktienindex-Fonds (ETF) eher bei 6 bis 8 %. Die Kursschwankungen bei Aktien sind jedoch nicht jedermanns Sache.
Wer mit Mitte 20 einen Betrieb übernimmt und über 40 Jahre einen monatlichen Betrag investiert, kann dank des Zinseszinseffekts stattliche Summen aufbauen, wie Tabelle 2 zeigt. Natürlich schwankt über die Jahre die Sparrate je nach Einkommenssituation. Setzt man den Kontostand am Ende der Laufzeit ins Verhältnis zum investierten Kapital, wird deutlich, wie viel der Zinseszins zum Endergebnis beigetragen hat. Bei 500 € monatlicher Sparrate und 6 % Rendite vor Steuern steht das Sparkonto nach 40 Jahren bei 673 090 € nach Steuern. Die investierte Summe von 240 000 € entspricht nur 35,7 % des Kontostands. Die restlichen 433 090 € beziehungsweise 64,3 % hat der Zinseszinseffekt zum Ergebnis beigetragen.
Erste Erkenntnisse
Daraus lassen sich verschiedene Erkenntnisse ableiten:
- Je früher Sie anfangen und je länger Sie investieren, desto massiver ist das Vermögenswachstum über die Zeit.
- Je später Sie anfangen, desto größer muss die monatliche Sparrate sein, um gleiche Ergebnisse wie ein früher Sparer zu erzielen.
- Je höher der Zinssatz, desto besser das Ergebnis: jeder Prozentpunkt zählt. Daher ist auch die Kosten- und Gebührenseite jeder Geldanlage entscheidend.
- Je höher die Sparrate in den frühen Berufsjahren ist, desto eher kann die Sparrate später reduziert werden, wenn die laufenden Kosten im Alltag steigen, zum Beispiel durch Familiengründung und Ausbildung der Kinder.
- Erfolgt der Vermögensaufbau über viele Jahre in kleinen Schritten, sollte das Vermögen am besten nur schrittweise verbraucht werden, damit sich die verbleibende Summe weiter verzinst. Schlagen Sie mit Renteneintritt Ihr Sparkonto auf einen Schlag los, wandert zuerst eine erhebliche Summe Steuern an das Finanzamt. Dann stehen Sie erneut vor der Frage, wo Sie die Summe für die kommenden Jahre und Jahrzehnte anlegen. Beim schrittweisen Vermögensabbau fallen die Steuern in kleinen Portionen über viele Jahre verteilt an.
Familie Meyer hat noch gut zehn Jahre bis zum Renteneintritt. Pro Monat fehlen dann entweder 2 000 € im Szenario 2 oder 1 400 € im Szenario 3. Wird von 3 % Inflation pro Jahr ausgegangen, müsste die monatliche Entnahme aus dem gesparten Kapital entsprechend steigen. Ferner sei unterstellt, dass die Eheleute ungefähr 25 Rentenjahre mit dem Geld auskommen müssen.
Was Szenario 2 bringt
Wenn die Eheleute von 55 bis Renteneintritt konservative Geldanlagen besparen, wie etwa ein Tagesgeldkonto oder einen Bausparvertrag, und dort im Schnitt 2 % Zinsen vor Steuern bekommen, müssten gut 730 000 € auf dem Konto sein, damit die Lücke von 2 000 €/Monat geschlossen werden kann. So würde das Geld unter sonst gleichen Bedingungen bis zum 90. Lebensjahr reichen. Wie in Tabelle 2 dargestellt, reicht selbst eine hohe Sparrate von 4 000 €/Monat über 10 Jahre nicht aus, um diese Summe zu erzielen.
Liegt die durchschnittliche Rendite bei 6 % vor Steuern, würden bei Renteneintritt gut 500 000 € benötigt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Eheleute in den nächsten 10 Jahren rund 3 400 €/Monat investieren. Hätten sie bereits mit Mitte 40 angefangen bei einem 20-Jahre-Sparplan, hätten rund 2 600 €/Monat ausgereicht, um mit niedrig verzinsten Kapitalanlagen die notwendigen 730 000 € aufzubauen. Bei einem 30-Jahre-Sparplan wären rund 1 700 €/Monat genug gewesen.
Was Szenario 3 bringt
Wird die Versorgungslücke auf 1 500 €/Monat aufgerundet und von etwas höher verzinsten Geldanlagen mit 4 % Rendite ausgegangen, müssten knapp 452 000 € bei Renteneintritt vorhanden sein. Um diese Summe in nur 10 Jahren zu erreichen, müssten immer noch rund 3 300 €/Monat investiert werden. Mit einem Aktien-ETF und einer unterstellten durchschnittlichen Rendite von 8 % würden gut 318 000 € ausreichen, um die Lücke zu schließen. Über 10 Jahre wären Sparraten von 2 000 €/Monat notwendig gewesen.
Zu spät dran – was dann?
Spätestens hier zeigt sich, dass die Meyers unter den getroffenen Annahmen zu spät dran sind, um mit konservativen Geldanlagen ihre Altersversorgung sicherzustellen. Sie werden dafür betriebliche oder private Vermögenswerte losschlagen müssen. Die Sauenhaltung sollten sie so lange wie möglich rentabel und ohne größere Investitionen weiterführen, um die Erträge für den Aufbau der Altersvorsorge zu nutzen. Die theoretisch notwendigen hohen Sparraten sind aus der aktiven Bewirtschaftung kaum zu leisten.
Familie Meyer beschließt durch eine anteilige Vermietung die monatliche Lücke etwas zu verkleinern. Wenn alle Stricke reißen, müssen eines Tages Vermögenswerte veräußert werden. Auch hochgegriffene Renditeerwartungen von 6 bis 8 % sind mit Tagesgeld, Festgeld und ähnlichen Anlageformen momentan nicht zu schaffen. Bei einem Aktien-ETF sind 10 Jahre Anlagedauer eher die Untergrenze. Die durchschnittliche Rendite der Vergangenheit von 6 bis 8 % ergab sich als Summe stark schwankender jährlicher Renditen. Daher sind Aktien-ETF nicht pauschal für jeden zu empfehlen.
Fazit
Wie immer gilt: Jeder Fall ist anders. Eine betriebsindividuelle Kalkulation ist nicht zu ersetzen. In der Praxis zeigen sich erhebliche Unterschiede in den Lebenshaltungskosten und Einkommensverhältnissen der Altenteiler. Es sollte bereits bei der Übernahme des Betriebs in jungen Jahren so kalkuliert werden, als würde am Ende des Berufslebens kein Nachfolger übernehmen. Am besten baut man von Anfang an konsequent eine private Altersvorsorge auf.
Christian Solle, Landwirtschaftskammer NRW