Das frühe Anweiden ist eine „Win-Win-Situation“ für Pflanzen und Tiere. Sie bildet den Grundstein für eine erfolgreiche Weidesaison. Die Vorweide nimmt eine wichtige Stellschraube für eine erfolgreiche Weidesaison ein.
Die Vorweide ist die frühzeitige, temporäre Haltung der Tiere auf den Weideflächen. Sie dient einerseits der Entwicklung des Pflanzenbestands und andererseits dem Wohlbefinden der Tiere, was die Tiere beim ersten Austrieb nach dem Winter deutlich zeigen. Der frühe Verbiss fördert die Bestockung erwünschter Weidegräser und verbessert die Trittfestigkeit der Narbe. Gleichzeitig gewöhnen sich die Wiederkäuer durch die stetig ansteigende Weidezeit kontinuierlich an die Futterqualität des Weideaufwuchses.
Wann beginnen?
Ausschlaggebend ist der rechtzeitige Start beim Anweiden nach dem Winter. In der Regel ist die Temperatursumme von 200°C erreicht. Das Spitzen der Gräser signalisiert den Startzeitpunkt, Kräuter wie Ampfer und Bärenklau sollten sich im frühen Blattstadium befinden. Sobald die Flächen tragfähig sind, können die Tiere auf die Weiden zum Grasen getrieben werden. Je nach klimatischen Verhältnissen kann der erste Austrieb im Frühjahr in Gunstregionen bei trockenen Bodenverhältnissen bereits im Februar/März erfolgen.
Nur stundenweise auf die Fläche
Die Tiere gewöhnen sich während der Vorweidezeit stundenweise großflächig an die Weide. Sie fressen und bekämpfen zeitig wachsendes unerwünschtes Kraut, wie Ampfer, und regen die Bestockung durch das Kürzen der jungen Triebe erwünschter Weidepflanzen - Gräser, Weißklee, Kräuter - und frühen Obergräser, wie Wiesenfuchsschwanz, Knaulgras, Wiesenschwingel und Wiesenlieschgras, an. Dadurch entwickelt sich anschließend eine dichte und trittfeste Weidenarbe - elementar im Weidemanagement für eine erfolgreiche Weidesaison. Mit ansteigenden Weideaufwüchsen nehmen Weidezeit und Weidefutteraufnahme der Wiederkäuer zu.
Weidetierbesatz während der Weidephasen
Die Anzahl der Tiere je Hektar ist stark von den zu beweidenden Flächen und dem Weidesystem abhängig. Es macht zudem einen Unterschied, zu welcher Jahreszeit sich die Tiere auf der Weide befinden. Bei einem angenommenen Grünlandertrag von etwa 80 bis 100 dt TM/ha sollten auf einer Kurzrasenweide zur Vorweide eine bis drei Kühe je ha weiden, auf der zügig wachsenden Frühjahrsweide sind dann vier bis sechs Kühe je ha das richtige Maß.

Anne Verhoeven, Landwirtschaftskammer NRW
Tipps zum Weideaustrieb
- Schlepp- und Striegeleinsatz bei trockener Witterung und Bodenverhältnissen verteilt Maulwurfshaufen, gleicht Unebenheiten aus, belüftet die Narbe und kämmt den Winterfilz (abgestorbenes Pflanzenmaterial, organische Düngereste = Gülle- und Stallmistreste) heraus.
- Walzen auf aufgefrorenen, humosen Weideflächen, wo Bodenschluss fehlt, um den Kontakt zwischen Wurzelzone und Boden wieder herzustellen. Gleichzeitig werden so Bodenkapillarität und Wasserführung sowie Bestockung der Gräser gefördert. Auf Bodenfeuchtigkeit achten: Zu feuchte Bedingungen führen zu Verdichtungen; zu trockene Bodenbedingungen bringen keinen Walzeffekt.
- Frühzeitige Grünlandnachsaat: Je nach Weidenarbenzustand bei lückigen, durch frostreiche Winter stark geschädigten Narben empfiehlt sich eine Nachsaat mit GV plus Weißklee (15 bis 20 kg/ha).
- Zäune, Tränkestellen, Triebwege, Weidetorzonen und Schattenruheareale kontrollieren und bei Bedarf reparieren.
- Vorweide unmittelbar nach Vegetationsbeginn fördert bei guten Witterungs- und Bodenbedingungen eine dichte Grasnarbe und erhöht die Tragfähigkeit der Weiden.
- Unter Vorweide-Bedingungen zur Gewöhnung Kühe gesättigt auf die Weide treiben; nach Weidegewöhnung Kühe hungrig auf die Weide treiben und Fresslust provozieren! Denn hungrige Kühe mit hoher Fresslust fressen mehr Weidefutter - verwerten den Weideaufwuchs effizienter und pflegen die Weidenarbe deutlich besser.
Kontinuierliche Umstellung der Fütterung
Mit zunehmender Weidezeit gewöhnen sich die Wiederkäuer kontinuierlich an das Weidefutter. Die Tiere erhalten im Stall weiterhin zunächst die Winterration, so dass sich die Pansenbakterien an das wasser- und eiweißreiche Grünfutter sukzessive gewöhnen können und die empfindliche Pansenflora im Gleichgewicht bleibt. Die Vorweide eignet sich hierfür perfekt: Die Tiere gewöhnen sich allmählich an das energiereiche, hoch verdauliche, kostengünstige und wirtschaftliche Weidefutter.
Idealer Zeitpunkt für Nach- oder Übersaat
Die vorige Weidesaison sowie die vorangegangene Winterzeit haben oftmals Spuren hinterlassen: Neben lückigen Beständen können auch Maulwurfshügel die Qualität der Weideflächen negativ beeinflussen. Der Zeitpunkt der Vorweide eignet sich ideal für eine gezielte Nach- oder Übersaat. Der bestehende Weideaufwuchs wird von den Kühen kurzgehalten, so dass die Nachsaat zügig keimen und anwachsen kann. Lückige Bestände können sich so zu stabilen und ertragsreichen Weideflächen entwickeln.
Anne Verhoeven,
Landwirtschaftskammer NRW