
Peter Eßer, Ehefrau Renate und Sohn Sebastian freuen sich, dass sie nun Dank größerer Kapazitäten die steigende Nachfrage nach Lohnschlachtungen und nach weiterverarbeiteten Geflügelprodukten bedienen können. Foto: Maria Forstreuter-Wick, Landwirtschaftskammer NRW
„Das alte Schlachthaus platzte einfach aus allen Nähten“, nennt der Gänsepeter, der im Personalausweis Peter Eßer heißt, den Grund für die Betriebserweiterung. „Außerdem liegt uns daran, das Fleisch von Gans, Huhn, Ente oder Masthähnchen komplett zu nutzen. Geflügel ist mehr als Keule und Brustfleisch. Mit dem von uns weiterverarbeiteten Geflügelfleisch können wir den Endverbrauchern ein küchenfertiges Produkt anbieten, das frisch vom Hof kommt, sehr einfach und schnell zuzubereiten ist und sich dennoch eine Weile lagern lässt.“
Bereits jetzt zeigt sich, dass das Konzept aufgeht. Nicht nur die Endverbraucher sind von der neuen Produktvielfalt angetan, auch die Landwirte, die ihr Geflügel beim Gänsepeter und seiner Familie als Dienstleister schlachten und verarbeiten lassen, schätzen die Vorteile.
Was darf es sein?
Schon bei den Vorüberlegungen zum Bau des neuen Schlachthauses war für das Familienunternehmen Gänsepeter – bestehend aus Peter Eßer, seiner Frau Renate und dem Sohn Sebastian klar, dass es mit dem Schlachten allein nicht getan ist. „Unser Leitgedanke heißt Diversifizierung“, sagt Sebastian, der nach Ende seiner landwirtschaftlichen Ausbildung mit in den Familienbetrieb eingestiegen ist. „Gerade in meiner Generation wird in den meisten Familien abends gekocht. Dann muss es schnell gehen, das Essen soll trotzdem gut schmecken, gesund sein und aus nachhaltiger, tierfreundlicher Erzeugung stammen. Genau diese Wünsche können wir jetzt erfüllen.“ Das kann seine Mutter Renate, die den Hofladen führt, nur bestätigen: „Mit unseren vakuumierten Geflügelwaren, wie beispielsweise Wurst, Frikadellen, saftigen Steaks und Keulen, konnten wir unseren Kundenkreis deutlich erweitern. Gerade fürs Wochenende sind die im Glas eingekochten und damit ohne Kühlung haltbaren fertigen Speisen, wie Chili Con Carne, Hähnchen-Bolognese oder diverse Suppen und Ragouts, sehr gefragte Artikel.“ Selbst Sous-Vide-Artikel, also unter Vakuum gegarte Spezialitäten, sind im Angebot. Und für Grillfreunde klingt auch das Angebot an Mariniertem und verschiedenen Würstchen verlockend – natürlich alles aus Geflügelfleisch.
An Ideen für neue Gerichte und Spezialitäten mangelt es nicht – dazu essen Eßers viel zu gerne selbst Geflügel und probieren am heimischen Herd gerne Neues aus. Der angestellte Metzgermeister tut sein Übriges hinzu und sorgt dafür, dass passende Teilstücke verwertet werden.

Was das Herz – besser gesagt der Magen – begehrt: Neben Frischfleisch sind Produkte wie Hühnersuppe, Frikassee und „Huhn im Glas“ besonders gefragt.
Marktlücke genutzt
Der neue Betrieb wurde genau zur richtigen Zeit fertiggestellt, freuen sich Familie Eßer und ihr Team gleichermaßen. Eßers sind froh, dass sie die steigende Nachfrage nach Lohnschlachtungen – bedingt durch die stattliche Anzahl an Hühnermobilen, die sich im Umkreis etabliert hat - jetzt in eigens dafür abgestimmten, EU-zugelassenen Räumlichkeiten bedienen können.
Für die Landwirte eröffnet sich durch die Lohnschlachterei die Möglichkeit, das eigene Geflügel zwar fremd schlachten zu lassen und dennoch unter dem eigenen Label zu vermarkten. Die im Glas eingekochten Artikel können auf Wunsch mit einem Etikett versehen werden, in das das jeweilige Logo eingepflegt wird. Dazu Peter Eßer: „Das Etikett mit dem eigenen Logo sorgt beim Verbraucher für einen hohen Wiedererkennungswert. So vereinfacht sich die Einführung von neuen Produkten, beispielsweise wenn ein Landwirt neben Frischgeflügel nun auch haltbare Artikel im Laden anbieten möchte.“ Was die Möglichkeiten der Weiterverarbeitung betrifft, sind die meisten Landwirte froh, wenn sie vom Profi beraten werden. „Besonders gut gehen Produkte wie Hühnersuppe, Frikassee und „Huhn im Glas“, weiß der Gänsepeter. Er hat bemerkt, dass die Waren im Glas bei den Verbrauchern besonders beliebt sind, da das Glas nicht nur mehr als ein Jahr ungekühlt haltbar ist, sondern auch öffentlich zur Schau stellt, was darin enthalten ist.
Auch die Belegschaft freut sich über die neue Schlachtanlage, weil die moderne Technik im neuen Schlachtbetrieb die Arbeit deutlich vereinfacht. Dennoch bleibt im Familienbetrieb, der durch sieben feste Beschäftigte und einige Saisonkräfte unterstützt wird, einiges an Handarbeit übrig. Besonders sportlich nimmt es eine langjährige Beschäftigte, die das Umhängen der Gänseschlachtkörper – immerhin zwischen 4 und 5 kg je Tier – als kostengünstiges Fitnesstraining sieht.
„Uns ist wichtig, dass unsere Mitarbeiter überall einsetzbar sind“, erklärt Renate Eßer. Den Beschäftigten ist das Recht, sie schätzen die Abwechslung bei ihrer Arbeit und wissen, dass es in Stoßzeiten vor Weihnachten auch mal hoch hergehen kann und das Wochenende bis Weihnachten warten muss. Fluktuation ist kein Thema, „Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind schon seit Jahren bei uns“.
Und auch für Renate Eßer, die im Bekanntenkreis adäquat zum Gänsepeter zur Gänseliesel umgetauft wurde, hält die neue Schlachtanlage einen großen Vorteil parat. Wo sich alles ums Federvieh dreht, fällt auch einiges an Federn an, die Renate Eßer zu Daunenbetten und –kopfkissen verarbeitet. Und das ist nun dank der unter dem Dach des Schlachthauses installierten Federtrocknungsanlage sehr viel einfacher. Die Federn werden mit Luftdruck durch einen Kanal nach oben in die Trocknung befördert, danach von einem Fremdbetrieb gewaschen und sortiert, bevor die Gänseliesel sie in mollige Betten verwandelt.

Die Tiefziehmaschine formt für die einzelnen Fleischstücke Beutel unterschiedlicher Größe, die dann von Hand befüllt und mit einer Oberfolie verschlossen und vakuumiert werden. Fotos: Gänsepeter

Im neuen Schlachthaus wird das Geflügel zerlegt und zu verschiedenen frischen und auch länger haltbaren vakuumierten oder im Glas konservierten Köstlichkeiten verarbeitet.
Besser zwei
Bei aller Technik, beginnend bei der Anlieferung des Geflügels im unsauberen, sogenannten schwarzen Bereich, über die schonende Betäubung bis hin zur Verarbeitung im weißen, sprich Hygienebereich – viele Arbeitsschritte lassen sich nur manuell erledigen, besonders, wenn man Wert auf Qualität legt. So sind bei der Verarbeitung des Geflügelfleischs flinke Hände beim Befüllen der Gläser und Vakuumschalen gefragt. Wurstwaren müssen geschnitten und abgewogen, Eierstich gekocht und Keulen verteilt werden. Als großer Fortschritt gilt die neue Tiefziehmaschine, die automatisch arbeitet. Hier können je nach Bedarf Beutel unterschiedlicher Größe ausgeformt, händisch befüllt und mit der Oberfolie verschlossen und vakuumiert werden.
„Besser zwei“ lautet der Leitsatz von Familie Eßer, wenn es um die Funktionssicherheit der Schlachtkette nebst Verarbeitung geht. Dazu Sebastian Eßer: „Maschinen fallen meistens aus, wenn sie unter Hochleistung arbeiten und wir auf einen reibungslosen Ablauf angewiesen sind, wie beispielsweise vor Weihnachten oder Ostern. Damit die Produktion weiterlaufen kann, wenn eine Maschine muckt, haben wir uns beim Neukauf bei verschiedenen Geräten für zwei kleinere statt einer großen Einheit entschieden. Das war mitunter teurer, sichert uns aber im Falle eines Falles zumindest so weit ab, dass wir mit begrenzter Kapazität weiterarbeiten können.“ Aus diesem Grund findet man in der Verarbeitung zum Beispiel zwei Autoklaven zum Einkochen der Gläser und auch die Aufschnittmaschinen für Wurst arbeiten im Duett.
Neue Ideen
Aktuell nimmt die Nudelproduktion aus Gänseeiern an Fahrt auf. Gänseeier weisen ein anderes Eiweißmuster auf und sind daher für viele Hühnereiweiß-Allergiker verträglich. Somit gelten die Gänseeiner nicht nur als Delikatesse, sondern auch als Alternative zum Hühnerei, wobei der „Kurs“ bei 1:3 liegt, das heißt, ein Gänseei entspricht ungefähr drei Hühnereiern. Weitere Gedanken gehen dahin, auch die Nudelproduktion aus Hühnereiern im Lohn anzubieten. „Das kalkulieren wir zurzeit“, verrät der Gänsepeter.
Ganz ungeplant, ist die neue Schlachtanlage auch ein Magnet für Klein- und Kleinstgeflügelhalter geworden. Der Grund liegt auf der Hand: Hühnerhaltung ist seit einigen Jahren im Trend und ein beliebtes Hobby, aber wer kann und möchte heute ein Huhn schlachten, geschweige denn fachmännisch ausnehmen? Da sich die kleinen Tierzahlen arbeitswirtschaftlich nicht in den normalen Schlachtprozess integrieren lassen, wird überlegt, mehrmals im Jahr einen Tag zum Schlachten von kleinen Geflügelbeständen anzubieten.
Maria Forstreuter-Wick,
Landwirtschaftskammer NRW