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Ökolandbau NRW

Herausforderung 100% Bio-Fütterung

17.05.2024

Ökologisch zertifizierte Tierhaltungsbetriebe dürfen ausschließlich ökologisch zertifiziertes Futter einsetzen (Verordnung (EU) 2018/848 Anhang II Teil II Nr. 1.4.1. h). Bis Ende 2025 können bei Nichtverfügbarkeit noch konventionelle Eiweißfuttermittel (GVO-frei und ohne künstliche Aminosäuren) für Ferkel und Junggeflügel eingesetzt werden. Vorrangig wird hierbei auf konventionelles Kartoffeleiweiß zurückgegriffen, da dies die Aminosäureversorgung in der Ration sehr gut ergänzt. Hintergrund ist, dass die Komponenten, die für eine bedarfsgerechte Fütterung der Tiere benötigt werden, nicht in ausreichender Menge verfügbar waren. Diese Ausnahmeregelung läuft bald aus und daher müssen Betriebe frühzeitig planen, welche Komponenten für ihre Futtermischungen verfügbar sind, welche selbst im eigenen Betrieb erzeugt werden können und wie bedarfsgerechte Rationen gestaltet werden sollen.

Ferkel, Foto: Ökoteam LWK NRW

Bedarfsgerechte Nährstoffversorgung

Essentielle Aminosäuren, wie Lysin, Methionin und Cystein, sind in der Fütterung der Schweine entscheidend. Ferkel benötigen ein besonders hochverdauliches Futter mit einem ausgewogenen Aminogramm. In den vergangenen Jahren konnten immer bessere Zunahmen der Tiere realisiert werden. Dazu kommt eine genetisch bedingt gesteigerte Wurfgröße. Auch in der ökologischen Schweinehaltung sollte das genetische Potenzial ausgeschöpft werden. Das Ferkelfutter muss entsprechend schmackhaft sein, um eine gute Futteraufnahme zu gewährleisten. Außerdem sollte es eine hohe Verdaulichkeit haben - sowohl bezogen auf die Verdaulichkeit des Proteins an sich, aber auch auf die Verdaulichkeiten der einzelnen Aminosäuren.  

Werden die Tiere nicht hochwertig genug ernährt, kann es infolge zu Eiweißmangel kommen. Kannibalismus, Wachstumsdepression und fehlende Immunität können die Konsequenz des Eiweißmangels sein.

Leguminosen einsetzen

Getreide hat einen geringen Gehalt an essentiellem Lysin. Heimische Leguminosen, wie Ackerbohnen, Erbsen und Lupinen, gleichen den geringeren Lysingehalt im Getreide aus.  In der Schweinemast und der Sauenfütterung finden diese heimischen Leguminosen schon heute erfolgreich intensive Verwendung. Mithilfe der heimischen Leguminosen kann der Bedarf an Lysin in der Ration ausreichend gedeckt werden. Heimische Leguminosen können hohe Bitterstoffgehalte aufweisen. Dies ist insbesondere in der Ferkelfütterung nachteilig, weil die Ferkel empfindlich auf nicht schmackhaftes Futter reagieren Erbsen weisen von den genannten Leguminosen tendenziell den geringsten Bitterstoffgehalt auf. Danach folgen die Ackerbohnen mit höheren Gehalten. Die Lupinen weisen tendenziell den höchsten Bitterstoffgehalt auf. Zusätzlich gibt es noch Sorteneffekte und Jahreseffekte, abhängig von der Witterung, auf den Bitterstoffgehalt. Von den Erbsen weisen vor allem die weißblühenden Erbsensorten geringere Bitterstoffgehalte auf, diese sind gut für die Ferkelfütterung geeignet. Bei den Ackerbohnen gibt es Sorten, die laut Sortenliste geringere Bitterstoffgehalte aufweisen, wie beispielweise die Sorte GL-Sunrise oder die Sorte Taifun. Allerdings haben diese Sorten im Vergleich zu anderen Sorten einen schlechteren Ertrag. Zudem muss für deren Anbau eine Ausnahmegenehmigung gestellt werden, da diese nicht ökologisch vermehrt werden. Lupinen sollten, aufgrund ihres bitteren Geschmacks, in der Ferkelfütterung sehr vorsichtig eingesetzt werden.

Methionin aus Sojaöl

Methionin, die zweitlimitierende Aminosäure, ist jedoch weder in Getreide noch heimischen Leguminosen ausreichend vorhanden, um die Ferkel leistungsgerecht zu versorgen. Bisher wurde konventionelles Kartoffeleiweiß genutzt, um ausreichend Methionin in die Ration zu bekommen. Mittlerweile ergänzt Sojaölkuchen zunehmend die Rationen. Mit seinem ausgewogenen Aminogramm bietet er sich als Ergänzung und Aufwertung der Ration an. Soja muss professionell aufbereitet sein, um optimal eingesetzt werden zu können. Hitzebehandelte und entölte Sojabohnen (Presskuchen) sind nach guter Aufbereitung ein hochwertiges Futtermittel für die Fütterung von Monogastriern. Sojaölkuchen ist durch seine aufwändige Verarbeitung und hohe Sojabohnenpreise deutlich teurer. Problematisch ist, dass Rationen aus Getreide, heimischen Leguminosen und Sojaölkuchen zu hohen Rohproteingehalten führen können. Zum Ausgleich braucht es weitere Komponenten.

Weitere Komponenten

Tierische Eiweißkomponenten aus Insekten, wie zum Beispiel die Soldatenfliege, sind noch nicht im Markt angekommen, darum können Rapskuchen und Leinkuchen die Ration gut ergänzen, wenn der Nährstoffbedarf durch die zuvor genannten Komponenten nicht gedeckt werden kann. Leinkuchen weist ein ausgewogenes Aminosäureverhältnis auf. Seine Schleimstoffe können positive Effekte auf die Verdauung haben. Rapskuchen hat hohe Gehalte an Methionin und Cystein. Der Rapskuchen ist wegen der enthaltenen Glucosinolate (Senföle) weniger schmackhaft für Schweine. Wenn die Ration bereits wenig schmackhaft ist, muss auf Rapskuchen verzichtet werden. Aufgrund der enthaltenen Senföle sind Ferkel erst ab 20 kg mit Rapskuchen zu versorgen, Rapskuchen sollte hier nur zu höchstens 5 % eingesetzt werden, empfohlen werden kann maximal die Hälfte.

Darüber hinaus ist Hafer eine nicht zu vernachlässigende Komponente in der Rationsgestaltung. Dieser weist bezogen auf das enthaltene Rohprotein oder verglichen mit den sonstigen Getreiden relativ hohe Gehalte an Methionin und Cystein auf. Der Spelzenanteil kann sich jedoch nachteilig auswirken. Probleme machen hier vor allem Entmischung im Mischer und den Automaten sowie Brückenbildung bei zu hohen Einsatzmengen. Die Mykotoxinbelastung ist stets zu prüfen.

Alternative Milchpulver

Gelingt es nicht, eine ausgewogene Ration mit den zur Verfügung stehenden Komponenten zusammenzustellen, kann Milchpulver eine Alternative zur Rationsaufwertung darstellen. Milchpulver ist für Ferkel ein hochverdauliches Futtermittel. Dieses sollte allerdings, aufgrund des hohen Preises, nur zugekauft werden, wenn es erforderlich ist. Weitere Spezialkomponenten sind Luzernegrünmehl, Sonnenblumenkuchen und Kleegras, sie werden mit geringen Mengen in den Rationen eingesetzt. Sie können Teil der Lösung sein, sichere Analysewerte sind aber für ein Gelingen entscheidend.

Verlängerte Säugezeit

Das Absetzten der Ferkel verursacht Stress und die hochwertige Nahrungsquelle „Sauenmilch“ wird den jungen Tieren entzogen. Somit kommt der Ferkelfütterung besonders nach dem Absetzen eine besondere Bedeutung zu. Die Verlängerung der Säugezeit kann die Umsetzung einer 100% Biofütterung erleichtern und den Stress in dieser Lebensphase reduzieren. Die Ferkel werden mit der Verlängerung der Säugezeit schwerer abgesetzt und die Anforderungen an das Futter sind weniger hoch.

Eine verlängerte Säugezeit kann die Möglichkeit bieten, eventuelle Nachteile bei einer 100 % Biofütterung auszugleichen. Diese Möglichkeit ist vor allem für Selbstmischer interessant, die keine Möglichkeit haben, hochwertige Eiweißfutter einzusetzen. Die verlängerte Säugezeit bietet für Betriebe, die nur eigene Futtermittel verwenden wollen, eine Chance, die Ferkel sicherer gut versorgt durchwachsen zu lassen. Wird, wie in der Praxis üblich, mit 42 Säugetagen abgesetzt, gestaltet sich die Rationsgestaltung deutlich anspruchsvoller, um die Tiere optimal versorgen zu können. Die Erfahrungen aus der Praxis mit einer verlängerten Säugezeit sind durchaus positiv, eine geringere Wurffolge infolge der verlängerten Säugezeit ist zu berücksichtigen.


Rebecca Mörig und Steffen Döring,

Landwirtschaftskammer Niedersachsen