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Herbstweide mit Augenmaß

03.10.2025

Die ausreichenden Niederschlagsmengen nach der ausgedehnten Trockenheit im Spätsommer befeuern vielerorts den zweiten Frühling im Herbst. Jetzt heißt es, diese jungen Aufwüchse effizient zu nutzen und in Milchleistung umzusetzen. 

Herbstweide

Da passt die Herbstweide ganz gut - gilt dieses Weidesystem doch ohnehin als kostengünstiges Verfahren. Eine gezielte Nutzung von Herbst- und Spätaufwüchsen sowie eine Verlängerung der Weideperiode im Herbst sind also durchaus sinnvoll. Gleichzeitig kann mit ihr die angestrebte Wuchshöhe von etwa 5 cm für die optimale Einwinterung geregelt werden. Der herbstliche Weidegang fördert darüber hinaus auch die Bewegung der Tiere und ihre Gesundheit. 

Trockenschäden nicht unterschätzen

Die Regenerationsfähigkeit der Grünland- und Weidenarben zeigt sich in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich. Trockenstress schädigt bevorzugt die flachwurzelnden Gräser, die eigentlichen Narbenbildner. Bei anhaltender Trockenheit geht der natürliche Schutz der Gras- und Weidenarbe gegen Verunkrautung zunehmend verloren. Minderwertige Tiefwurzler mit ausgeprägten Speicherorganen, wie Ampfer und Distel, die sich konkurrenzlos im Boden tiefer liegende Wasser- und Nährstoffvorräte aneignen, werden dagegen gestärkt. Bestände, die bereits im Herbst einen erhöhten Doldenblütlerbesatz aufweisen, sollten unbedingt im Rahmen der zeitigen Vorweide im kommenden Frühjahr bevorzugt beweidet werden. Mit einsetzender Wiederbegrünung werden großflächige, schachbrettartig in der Narbe verteilte Bestandslücken als helle Flecken sichtbar. Diese trockenstressbedingten Narbenschäden sollten nach Möglichkeit, wenn Feuchtigkeit vorhanden ist, noch vor Winter durch Nach- oder Übersaat bereinigt werden. Eine ausreichende Vorwinterentwicklung der jungen Saat muss gewährleistet sein. Andernfalls sollten diese Maßnahmen im zeitigen Frühjahr durchgeführt werden. Grundsätzlich bremst eine frühzeitige Beweidung nach Einsaat die Altnarbe aus, so dass die junge Saat sich besser entwickeln kann.

Stickstoffdüngung überflüssig 

Infolge der ausdauernden Sommertrockenheit befinden sich aufgrund der geringen Nährstoffentzüge und der unzureichenden Nitrifikation erhebliche N-Reserven in den Grünland- und Weideböden. Bei einsetzenden Niederschlägen und warmen, spätsommerlichen Bodentemperaturen ist von einer ausreichenden natürlichen N-Nachlieferung aus den Bodenvorräten auszugehen. Bei überhöhtem N-Angebot im Herbst besteht die Gefahr des zu üppigen Wachstums mit der Folge mangelnder Reservestoffeinlagerung, zunehmender Auswinterungsschäden sowie überhöhter Nitratgehalte in den Herbstaufwüchsen. Eine verhaltene Herbstgüllegabe regt im Gegensatz dazu das herbstliche Wachstum nur mäßig an, fördert jedoch - durch eine intensivere Bestockung der Gräser - die Reservestoffbildung unmittelbar vor Vegetationsende und damit letztlich deren Vitalisierung und Überwinterungsfähigkeit.

Nicht zu spät und nicht zu tief schneiden

Herbstaufwüchse, die siliert werden, sollten nicht zu spät und nicht zu tief geschnitten werden. Schnitthöhen von 5 bis 6 cm gelten als optimal. Oberirdische Reserveorgane der Futtergräser werden auf diese Weise geschont und eine erhöhte Verschmutzungsgefahr der Silage bleibt aus. Als Faustregel gilt die fausthohe Weidenarbe vor Eintritt des Winters. Dann sind die Gräser noch fotosynthetisch aktiv, assimilieren bis zum Eintritt der ersten Fröste und verbrauchen nur wenige wasserlösliche Reservekohlenhydrate, die sich dann in den oberirdischen Pflanzenteilen anreichern und als natürliches Frostschutzmittel fungieren. Zu tief und zu spät geschnittene Grünlandnarben sind frost- und auswinterungsgefährdet und starten auch im Folgefrühjahr verspätet, was vielen unerwünschten Pflanzenarten, wie der Einjährigen Rispe, der Gemeinen Rispe und Vogelmieren, einen Entwicklungsvorsprung verschafft. 

Von der Auswinterung bedroht sind auch zu üppige Grünlandbestände vor Winter. Unter einer Schneedecke führt die verstärkte Atmung der großen physiologisch aktiven Pflanzenmasse zu erhöhter Kohlendioxid-Konzentration mit der Folge der Erstickung, also Auswinterung zahlreicher Pflanzen, was einen idealen Nährboden für die Schneeschimmelpilzentwicklung bietet und den Mäusedruck begünstigt. Spätaufwüchse, die nicht mehr lohnend geerntet werden können, sollten dann besser von tragenden Rindern abgeweidet werden.

Weidepflege im Blick

Bei arrondierter Lage der Grünlandflächen können besonders ertragsschwache Herbst- und Spätherbstaufwüchse sehr gut als Herbst- oder Nachweide verwertet werden. Die Narbe sollte jedoch auch bei knappen Winterfutterreserven nicht überstrapaziert werden, zu geringe Weideflächenzuteilungen oder zu hohe Weidebesatzstärken und zu lange Weidezeiten der Weidetiere können Weidenarben nachhaltig schaden. Überwinterungsfähigkeit und Wiederaustrieb leiden darunter. Die Konkurrenzfähigkeit wertvoller Futtergräser gegenüber unerwünschten Arten im Frühjahr wird eingeschränkt. Folgen sind Verunkrautungsprobleme und Qualitätsverluste der Frühjahrsaufwüchse. 

Weiden mit hohem Restaufwuchs und Geilstellen-Anteil sollten dringend vor Winter noch nachgeweidet oder gemulcht werden, um das Auswinterungsrisiko zu minimieren. Bewährt hat sich der Einsatz von gut zerkleinernden Schlägelmulchern, was die herbstliche Bestockung der Narben bildenden Gräser anregt und vor allem bei trockenheitsgeschädigten Narben für den erforderlichen Narbenschluss sorgt. Bei geschädigten Weidenarben empfiehlt es sich zudem, zwei bis drei Tage vor Weideabtrieb eine flächige Über- oder Nachsaat mit rund 10 kg/ha einer geeigneten Nachsaatmischung vorzunehmen. Das Saatgut wird dann noch zielführend von den Weidetieren in den Boden eingetreten. 

Herbstweide ist Kurzrasenweide 

Die intensive Kurzrasenweide oder Dauerstandweide eignet sich im Herbst besser als die Umtriebs- oder Portionsweide, deren System auf durchweg hohen Tierbesatzstärken beruht. Auf der Kurzrasenweide verteilen sich die Weidetiere großflächiger und verhalten sich ruhiger. Es kommt seltener zu Narbenschäden. Bei der Umtriebsweide besteht eher die Gefahr, dass die Tiere die Weidenarbe zu tief abfressen. Damit gehen die Reserven der Grünlandpflanzen für den Winter verloren. Insbesondere Horstgräser oder Weißklee sind betroffen, da sie die lebenswichtigen Reservestoffe oberirdisch einlagern. Intensive Kurzrasenweiden sind weniger gefährdet, auszuwintern. Mit hohen Anteilen Gräsern, die Ausläufer treiben, können die Tiere die Weide im Herbst etwas länger und intensiver nutzen. Ein guter, dichter Bestand verträgt es durchaus, wenn er nicht mit optimaler Wuchshöhe in den Winter geht. 

Stallfütterung gemäß Weidefutterangebot

Im Herbst suchen Kühe und Rinder oft Schutz unter Hecken und Bäumen. Sie fressen dann schlagartig weniger Weidefutter – zu wenig für eine gute Leistung. Bis zur vollständigen Winterfütterung im Stall sollte die Futterration im Stall langsam gesteigert und dem schwindenden Weideaufwuchs im Herbst angepasst werden. Da das Herbstgras strukturarm, eiweißreich und oft feucht und mit Erde behaftet ist, besteht die Gefahr der sehr dünnen, zu Durchfall neigenden Kotkonsistenz bei den Weidetieren, wenn sie große Mengen Futter auf der Herbstweide fressen. Die Harnstoffgehalte in Blut und Milch steigen. Das schadet dem Stoffwechsel und der Fruchtbarkeit. Strukturarmer und taufrischer Weideaufwuchs, häufig mit höheren Weißkleeanteilen, führt schnell zu Blähungen. Unbedingt notwendig ist ein Ausgleich mit strukturiertem Futter über Heu, Struktur-Silagen oder Futterstroh. Das gilt insbesondere dann, wenn die Tiere auch größere Mengen Kraftfutter bekommen. Ebenso wie man im Frühjahr Tiere an die Weide gewöhnt, sollte man sie auch im Herbst allmählich entwöhnen.

Sind Weidedauer und Zufütterung, also Grobfutter und Kraftfutter bestehend aus energiereichen, Pansen stabilen Komponenten, optimal aufeinander abgestimmt, können durchschnittliche Tagesmilchleistungen von 25 bis 26 kg Energie-korrigierter Milch (ECM) je Tier gemolken werden. Im Pansen der Weidetiere entsteht aus dem Rohprotein von der Herbstweide zügig Ammoniak, das den Leberstoffwechsel belastet und zu hohen Harnstoffwerten in der Milch führt. Daher ist dann der Einsatz eines Milchleistungsfutters mit einer geringen oder negativen ruminalen Stickstoffbilanz (RNB) sowie einem hohen Gehalt von nutzbarem Protein im Darm (nXP) erforderlich. 


Anne Verhoeven, Landwirtschaftskammer NRW