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Problemgräsern an den Kragen

15.08.2025

Die regenreichen Jahre 2023 und 2024 führten zwar zu hohen Wachstumsraten und meistens zu guten Erträgen auf dem Grünland, gleichzeitig aber kam es vielerorts auch zu erheblichen Problemen in der Bestandsentwicklung. 

Das Befahren feuchter Böden zur Gülleausbringung und Ernte verursachte oftmals starke Bodenverdichtungen, insbesondere in der Oberkrume. Diese wirkten sich negativ auf die physikalischen Bodeneigenschaften aus und konnten zu Ertragsverlusten und einer Verschlechterung der Grasnarbe führen. Zusätzlich begünstigten immer wieder auftretende starke Mäusepopulationen die Entstehung von Lücken im Bestand, was Verunkrautung und die Ausbreitung minderwertiger Grasarten wie Gemeiner Rispe und Flechtstraußgras förderte. Diese breiten sich unter feuchten Bedingungen rasch vegetativ über Ausläufer aus und können hochwertige Futtergräser wie Deutsches Weidelgras verdrängen.

Ertragsschwach und geringer Futterwert

Gemeine Rispe
Die Gemeine Rispe bildet zahlreiche oberirdische Ausläufer die sich bewurzeln. Dadurch entsteht ein dichter Grasfilz, der sich mit den Fingern gut herausziehen lässt. Dieser riecht wegen der abgestorbener Blätter etwas muffig und wird daher vom Vieh eher gemieden. 

Während der erste Aufwuchs der beiden Problemgräser noch relativ ergiebig und mit einer insgesamt guten Futterqualität ausfällt, zeigen sie in den Folgeaufwüchsen insbesondere bei trockener Witterung eine zunehmend geringere Ertragsleistung. Ebenso sinkt im Verlaufe der Vegetationszeit deren Futterqualität. Besonders die Gemeine Rispe keimt früh im Jahr, bereits bei Bodentemperaturen um 7 bis 8 °C, und etabliert sich schnell in offenen Beständen. Das Problem den vergangenen zwei Jahre bestand darin, dass es aufgrund der nassen Witterung kaum möglich war, Nachsaaten erfolgreich durchzuführen oder mechanisch gegen Ungräser vorzugehen. Wo Nach- oder Neuansaaten im Herbst möglich waren, litten diese häufig unter massivem Schneckenfraß, was die Etablierung erheblich erschwerte.

Werden die Gemeine Rispe oder das Flechtstraußgras nicht regelmäßig bekämpft, können sich diese Arten stark ausbreiten und die Wirtschaftlichkeit des Grünlandes durch Minderertrag und schlechte Futterqualität erheblich beeinträchtigen. Bei einem Flächenanteil von 20 % dieser Problemgräser können bereits 8–10 dt TM/ha an Ertragspotenzial verloren gehen. 

Schwäche der Gemeinen Rispe nutzen

Da die Gemeine Rispe ein flaches Wurzelsystem besitzt und empfindlich auf Trockenheit reagiert, bietet das Striegeln bei trockener Witterung im Spätsommer oder Frühherbst ein wirksames Bekämpfungsverfahren. Vor der Maßnahme sollte der Bestand auf unter 7 cm geschnitten werden, um der Wiederaustrieb der Altnarbe zu hemmen und die Konkurrenz gegenüber jungen Nachsaaten zu reduzieren.

Je nach Verungrasung sind zwei bis fünf scharfe Striegelgänge mit Nachsaat, zum Beispiel Übersaat oder Durchsaat, notwendig. Der Erfolg hängt von der Schaffung von Lücken und der Aufrauhung der Bodenoberfläche ab. Während sich die Gemeine Rispe relativ gut herausstriegeln lässt, ist das tiefer wurzelnde Flechtstraußgras schwieriger zu bekämpfen. Hier muss mit erhöhter Striegelintensität und bei Bedarf mehreren Überfahrten gearbeitet werden. Besonders wirksam ist Überkreuzfahren. Mögliche Problemunkräuter, wie der Stumpfblättrige Ampfer, sollten erst nach der Etablierung der Nachsaat im Herbst chemisch reguliert werden.

Schnell genug fahren

Verschiedene Striegelintensitäten
Unterschiedliche Striegelintensitäten: Bei hohen Anteilen an Gemeiner Rispe oder Flechtstraußgras sollte unter trocknen Bedingungen intensiv gestriegelt werden. Die Fläche kann danach ruhig dezimiert und braun aussehen.

Für effektives Striegeln ist eine Arbeitsgeschwindigkeit von 10 bis 12 km/h empfehlenswert, vor allem bei Zinkenstärken von 10 bis 12 mm, da diese den Bodengegendruck besser aushalten und die Ungräser wirksam herausreißen. Bei dünneren Zinken mit 6 bis 8 mm Stärke sollte die Geschwindigkeit 8 km/h nicht überschreiten. Als Faustzahl gilt: je Millimeter Zinkenstärke 1 km/h. Nach mehreren Überfahrten kann so viel Filz anfallen, dass dieser geschwadet und abgefahren werden sollte, um die Nachsaatbedingungen zu verbessern. Besonders bei hohen Anteilen an Gemeiner Rispe oder Flechtstraußgras von über 20 bis 30 % ist diese Maßnahme unerlässlich. Variable Maschinenkosten für Schwader und Ladewagen liegen bei etwa 70 bis 80 €/ha.

Wichtiges Walzen

Wiesenwalze
Bei Nachsaaten ist es wichtig, dass diese für die Keimung und das Anwachsen guten Bodenkontakt haben. Hierfür haben Prismenwalzen oder Cambridgewalzen einen guten Effekt.

Die Nachsaat sollte in einem separaten Arbeitsgang mit kombiniertem oder anschließendem Walzgang erfolgen. Die Arbeitsgeschwindigkeit richtet sich dabei nach dem Walzendurchmesser (Faustregel: pro 10 cm Walzendurchmesser = 1 km/h Arbeitsgeschwindigkeit). Unter trockenen Bedingungen kann ein zweiter Walzgang sinnvoll sein. Prismen- oder Profilwalzen, wie die Güttlerwalze, sind gegenüber Glattwalzen im Hinblick auf Bodenschluss und Erosionsschutz im Vorteil. Alternativ zum Grünlandstriegel kann für die Nachsaat auch spezielle Direktsaat-Schlitztechnik wie Vredo oder Köckerling bei größeren Lückenanteilen von mehr als  25 % zu einem besseren Feldaufgang führen – insbesondere bei Trockenheit. Zwar hat diese Technik eine geringere Schlagkraft als ein Grünlandstriegel, sie sorgt aber für optimalen Bodenschluss und daher für eine höhere Sicherheit und Qualität der Nachsaat.

Nachbehandlung richtig machen

Für den Erfolg der Nachsaat ist die Nachbehandlung entscheidend. Eine frühzeitige Nutzung durch Beweidung fördert die Bestockung der Gräser. Stickstoffdüngung sollte, je nach Konkurrenz der Altnarbe, differenziert erfolgen; bei hohem Konkurrenzdruck der Altnarbe, keine zusätzliche N-Düngung. Gülle sollte im Ansaatjahr wegen des Risikos von Ätzschäden für die junge Saat vermieden werden. Schröpfschnitte helfen, aufkommende Unkräuter zu reduzieren und den Nachwuchs durch Bestockungsförderung zu stärken. Herbizide sollten nur im Ausnahmefall eingesetzt werden.

Ein besonderes Augenmerk gilt der Schneckenkontrolle, da hohe Bodenfeuchte insbesondere auf lehmigen und tonigen Böden in den letzten Jahren zu massiven Schneckenpopulationen führte. Vor Nachsaaten ist ein Schneckentest sinnvoll, dazu Salatblätter unter einen feuchten Jutesack legen. 

Wann wie viel nachsäen?

Nachsaaten sind ab Mitte August sinnvoll und können in günstigen Niederungslagen bis Anfang/Mitte Oktober erfolgen. Das Nachsaatrisiko steigt aber mit fortschreitender Zeit. Die Aussaatmenge richtet sich nach dem Lückenanteil: 5 bis 8 kg/ha bei 5 bis 10 %, 8 bis 15 kg/ha bei 10 bis 20 %, und bis zu 30 kg/ha bei über 30 % Lückenanteil. Vorrangig sollte für die Nachsaat Deutsches Weidelgras genutzt werden. Bei größeren Lücken können ergänzend auch Arten wie Wiesenlieschgras, Knaulgras, Rohrschwingel oder Rotklee eingebracht werden, die in der Etablierungsphase weniger konkurrenzstark sind. 

Der Nachsaaterfolg hängt maßgeblich von ausreichenden Niederschlägen ab. Saatgut-Coatings können unter Stressbedingungen Vorteile bieten, der Nutzen ist jedoch unter Praxisbedingungen schwer zu quantifizieren.


Hubert Kivelitz und Martin Hoppe,
Landwirtschaftskammer NRW