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Ökolandbau NRW

Roggen in die Mischration

14.11.2024

Masthühner

Foto: Pia Niewind, Landwirtschaftskammer NRW

Weizen und Körnermais stellen die bedeutendsten Komponenten in der Rationsgestaltung von Mastgeflügel dar, jedoch rückt auch immer wieder der Einsatz von Roggen in den Fokus der Tierernährung. Roggen weist im Vergleich zu Weizen eine vergleichbare Nährstoffkonzentration auf. Pflanzenbaulich betrachtet zeichnet sich Roggen im Vergleich zu Weizen durch geringere Ansprüche an die Bodenqualität, das Klima und die Kulturführung aus. Auch die Wassereffizienz (benötigtes Wasser pro kg erzeugter Trockenmasse) ist beim Roggen höher als bei anderen Getreidearten, was gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels von Bedeutung sein kann.

Bisher spielt der Einsatz von Roggen in Geflügelrationen jedoch eine untergeordnete Rolle, da Roggen gegenüber Weizen vergleichsweise hohe Konzentrationen von sogenannten Nicht-Stärke-Polysacchariden (NSP) aufweist. Das Problem ist, dass NPSs über den sogenannten „Käfigeffekt“ Nährstoffe umhüllen können. Dadurch wird die Zugänglichkeit von körpereigenen Verdauungsenzymen erschwert, wodurch in der Folge die Verdaulichkeit von Nährstoffen reduziert wird. Außerdem besitzen NSPs ein hohes Quell- und Wasserbindungsvermögen, was die Zähflüssigkeit des Chymus (Darminhalt) im Darm steigern kann. Neben einer verringerten Verdaulichkeit führt dies zu einer gesteigerten Wasserbindung im Verdauungstrakt, was sich in feuchteren Exkrementen und feuchterer Einstreu niederschlägt. Im Hinblick auf die Fußballen- und Tiergesundheit aber auch in Bezug auf eine höhere Ammoniakfreisetzung ist feuchtere Einstreu zu vermeiden.

Neben den Aspekten der Fütterung auf die tierischen Leistungen, der Tiergesundheit und des Wohlergehens rücken ebenso Effekte auf die Umweltwirkung zunehmend in den Fokus. Sojaextraktionsschrot aus Übersee weist im Vergleich zu heimischen Rapsprodukten einen deutlich höheren CO2-Fußabdruck pro kg Futtermittel auf. Dies bedeutet, dass mit dem Einsatz von Rapsprodukten ein wertvoller Beitrag zu einer ökologisch nachhaltigeren Masthühnerhaltung geleistet werden könnte. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Leistung der Tiere durch den Einsatz von Rapsprodukten oder anderen Alternativen zu Sojaprodukten nicht beeinträchtigt wird.

Versuche in NRW und Bayern

Aus den beschriebenen Zusammenhängen ergab sich die Forschungsfrage, wie sich der anteilig gesteigerte Einsatz von Roggen sowohl in sojaextraktionsschrot- und rapsexpeller-basierten Rationen auf die Leistung von Masthühnern auswirkt. Dafür wurde zeitgleich ein Fütterungsversuch auf dem Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse (VBZL) und bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) auf dem Staatsgut Kitzingen durchgeführt.

Die Fütterung der Tiere erfolgte an beiden Standorten dreiphasig und unterteilte sich in die drei Phasen Starter (Tag 1 bis 10), Grower (Tag 11 bis 24) und Finisher (Tag 25 bis zum Versuchsende). Alle Tiere erhielten die pelletierten Futtermischungen zur ad libitum-Aufnahme. In der Starter-Phase erhielten alle Tiere ein einheitliches Futter. Ab der Grower-Phase wurden an beiden Standorten sechs unterschiedliche Versuchsfuttermischungen eingesetzt. Die Versuchsfuttermischungen unterschieden sich hinsichtlich des eingesetzten Getreides und / oder der eingesetzten Eiweißfuttermittel.

Die sechs unterschiedlichen Futter im Grower (links) und im Finisher (rechts).

Mischungsanteile

Im Grower waren die Anteile der eingesetzten Futtermittel wie nachfolgend dargestellt:

  • WS: Weizen (35 %) und Sojaextraktionsschrot in der Ration; Kontrollfütterung nach standardüblichen Fütterungsprogramm für Masthühner
  • RoS: Roggen (25 %) und Sojaextrationsschrot in der Ration
  • WRa: Weizen (35 %) und Rapsexpeller (10%) in der Ration
  • RoRa: Roggen (25 %) und Rapsexpeller (10 %) in der Ration
  • WRoS: Weizen (22,5 %) und Roggen (12,5 %) sowie Sojaextrationsschrot in der Ration
  • WRoRa: Weizen (22,5 %) und Roggen (12,5 %) sowie Rapsexpeller (10 %) in der Ration

Im Finisher wurde bei WS und WRa der Weizen- und bei den Varianten RoS und RoRa der Roggenanteil um jeweils 5 % erhöht. In den Rationen von WRoS und WRoRa wurden sowohl der Weizen- als auch der Roggenanteil um jeweils 2,5 % angehoben. Der Anteil an Rapsexpeller blieb unverändert, während Sojaextraktionsschrot verringert wurde, um die Rohproteinkonzentration im Finisher gegenüber dem Grower zu reduzieren.

Alle Futtermischungen wurden zentral in einem kommerziellen Mischfutterwerk mit den gleichen Chargen an Komponenten produziert. Die Rationen wurden so konzipiert, dass der Energiegehalt und die Rohproteinkonzentration innerhalb einer Futterphase zwischen den Varianten konstant gehalten wurde. Zur Optimierung der Futtermischungen wurde der eingesetzte Roggen (Erntejahr 2023) vor Beginn des Versuchs nasschemisch analysiert. Die Vorabanalyse des Roggens zeigte, dass die Rohproteinkonzentration mit 7,8 % in der Trockenmasse unter dem langjährigen Durchschnittswert für Roggen in NRW (10,5 % TM) und Bayern (9,3 % TM) lag. Um dennoch konstante Rohprotein- und Aminosäurekonzentrationen in den Versuchsmischungen zu erhalten, wurden daher bei den Varianten mit Roggeneinsatz höhere Anteile an Sojaextraktionsschrot und angepasste Mengen an freien Aminosäuren eingemischt.  

Bewertung der Fußballen

Für die Durchführung des Versuchs standen auf dem VBZL Haus Düsse 24 Boxen zur Verfügung. Je Box wurden 220 Tiere - je zur Hälfte männliche, zur anderen Hälfte weibliche - eingestallt. An der LfL in Kitzingen standen 40 Boxen mit je 64 Tieren - ebenfalls 50 : 50 - zur Verfügung. Daraus ergaben sich sechs (WS und RoS) und sieben (WRa, RoRa, WRoS, WRoRa) Wiederholungen. Die Mastdauer betrug auf dem VBZL Haus Düsse 36 und an der LfL in Kitzingen 35 Masttage, ohne Schlupf- und Schlachttag. Während des Mastverlaufs wurden Futterverbrauch, Tiergewichte, Mortalität und in Kitzingen zusätzlich auch der Wasserverbrauch erfasst. Auf dem VBZL Haus Düsse wurden Tiere der Herkunft Ross 308 (Aviagen, USA) und an der LfL Kitzingen wurden Tiere der Herkunft Cobb 500 (Cobb-Vantress, USA) eingesetzt.

Am Ende der Mast wurde eine Stichprobe an Tieren für die Bewertung der Fußballen und für eine Teilstückzerlegung ausgewählt. Für die Teilstückzerlegung wurden Tiere ausgewählt, die dem mittleren Gruppengewicht der jeweiligen Variante am nächsten kamen. Bei der Fußballenbonitur wurden Scores zwischen 0 (keine Veränderung) bis maximal 4 (hochgradige Veränderung) vergeben.

Die biologischen Leistungen über den gesamten Mastverlauf für beide Standorte zeigen, dass der höchste Lebendmassezuwachs über die gesamte Mast und damit die höchste tägliche Gewichtszunahme an beiden Standorten die Kontrollvariante WS und WRoS erzielte. Die Variante RoRa erzielte an beiden Standorten die niedrigste tägliche Gewichtszunahme (68,7 g/d und 70,3 g/d) und den höchsten Futteraufwand (1,48 kg/kg und 1,44 kg/kg). Auf die gesamte Mastphase gesehen gab es in Bezug auf die Mortalität weder auf Haus Düsse (3,0 %) noch an der LfL Kitzingen (5,8 %) signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungen. Der tägliche Wasserverbrauch unterschied sich, wie auch die biologischen Leistungen, zwischen den Versuchsgruppen. RoRa wies mit 7 455 ml/Tier den signifikant höchsten Wasserverbrauch auf, gefolgt von RoS, WRoS und WRoRa mit 7 025 bis 7 168 ml/Tier. Die Gruppen WS (6 608 ml/Tier) und WRa (6 573 ml/Tier) verbrauchten am wenigsten Wasser.

Biologische Leistungen

Neben der Erfassung über den gesamten Mastverlauf wurden die biologischen Leistungen für beide Standorte für jede Futterphase erfasst. Im Starter (gleiche Fütterung aller Versuchsvarianten) wurden an keinem der Standorte signifikante Unterschiede ermittelt. Im Grower wurden auf dem VBZL Haus Düsse, trotz Unterschieden in der Rationsgestaltung, keine Effekte zwischen den Varianten festgestellt. An der LfL in Kitzingen wurden bereits im Grower signifikante Unterschiede ermittelt. Die Varianten WS und WRoS zeigten die höchsten Gewichte und täglichen Gewichtszunahmen sowie den höchsten Futterverbrauch. Die anderen Varianten waren auf einem signifikant niedrigeren Niveau und unterschieden sich nicht voneinander. Die Tiere der Gruppen RoS und RoRa hatten den höchsten Wasserverbrauch während die Gruppe WRa den niedrigsten Wasserverbrauch zeigte.

Im Gegensatz zum Grower zeigten sich im Finisher an beiden Standorten signifikante Unterschiede zwischen den Varianten. Auf Haus Düsse lag zu Mastende das Gewicht von Tieren, die lediglich Soja als Proteinfuttermittel erhalten haben (WS; RoS; WRoS) signifikant über dem Gewicht von Tieren, die Rationen mit anteilig Rapsexpeller erhalten haben (WRa; RoRa; WRoRa). Die Kontrollvariante hat im Finisher signifikant mehr Futter verbraucht als die anderen Varianten. Die höchsten täglichen Gewichtszunahmen wurden im Finisher in der Kontrollvariante WS und in der Variante WRoS erzielt. Die geringsten täglichen Gewichtszunahmen zeigten sich in den Varianten WRa und RoRa. In Kitzingen lagen die Tiergewichte bei den Varianten WS und WRoS analog zur Grower-Phase auch in der Finisher-Phase am höchsten. Der Futterverbrauch unterschied sich nicht zwischen den Varianten. Die höchsten täglichen Gewichtszunahmen wurden neben den Varianten WS und WRoS bei WRa und WRoRa festgestellt. Der höchste Wasserverbrauch im Finisher wurde bei RoRa festgestellt, gefolgt von RoS, WRoS und WRoRa. Den geringsten Wasserverbrauch zeigte WS und WRa.

Fußballen bonitiert

Die Ergebnisse der Fußballenbonitur beider Standorte zeigen, dass die Tiere insgesamt eine hohe Fußballengesundheit aufwiesen. Generell lässt sich allerdings die Tendenz feststellen, dass in Gruppen, die Roggen in der Ration hatten, weniger Tiere den Fußballenscore 0 aufwiesen als in Gruppen ohne Roggen in der Ration (WS, WRa). Die Kombination RoRa zeigte an beiden Standorten tendenziell mehr Tiere mit höheren Fußballenscores.

In Bezug auf die prozentualen Anteile der wichtigsten Teilstücke, aber auch in Bezug auf die Ausschlachtung wurden lediglich beim Anteil der Keule bei den Tieren an der LfL Kitzingen signifikante Effekte der Fütterung nachgewiesen, nämlich geringfügig höhere Werte bei WRa und RoRa.

Welche Einstreu?

Das Einstreumanagement wurde zwischen beiden Versuchsstationen unterschiedlich gehandhabt. Auf dem VBZL Haus Düsse wurden alle Boxen / alle Varianten zum gleichen Zeitpunkt mit der gleichen Menge an Einstreu nachgestreut. An der LfL in Kitzingen wurden einzelne Boxen nach Bedarf nachgestreut und die Einstreumenge wurde festgehalten. Die Ergebnisse der LfL Kitzingen zeigen bei Kontrollvariante WS mit 9,57 kg/Abteil den geringsten Verbrauch an Einstreu. Die Roggen-Varianten RoS und RoRa benötigten über die gesamte Mast rund doppelt so viel Einstreu (19,82 kg/Abteil und 20,91 kg/Abteil) wie die Kontrollgruppe WS. Die übrigen Versuchsgruppen lagen mit rund 15 kg Einstreu/Abteil zwischen den beiden Extremen. Auf dem VBZL Haus Düsse wurde am Ende der Mast der Trockenmassegehalt der Einstreu bestimmt. Zur Messung der Einstreufeuchte am Ende der Mast wurde eine Mischprobe von 2,5 kg Einstreu pro Box untersucht. Die Probe wurde bei 100°C bis zur Massenkonstanz im Trockenschrank getrocknet. Die Einstreu der Kontrollvariante mit einem Trockenmassegehalt von 64 % war signifikant trockener als die anderen Varianten. Generell lässt sich zudem feststellen, dass die Einstreu der Varianten, die Roggen enthielten, signifikant feuchter war als die Einstreu der anderen Varianten.

Fazit für die Praxis

Der Versuch über beide Standorte hat gezeigt, dass neben der Kontrollvariante mit Weizen als dominierende Getreideart auch ein gewisser Einsatz von Roggen in der Ration - in diesem Fall bis zu 12,5 und 15% - möglich ist, ohne die Mast- und Schlachtleistung von Masthühnern zu beeinflussen. In Bezug auf die biologischen Leistungen zeigte die Variante Weizen Roggen Soja (WRoS) an beiden Standorten biologische Leistungen, die vergleichbar waren mit der Kontrollration WS. Im direkten Vergleich der Getreidearten zeigt sich an beiden Standorten, dass höhere Zugaben von Roggen anstatt Weizen die biologischen Leistungen negativ beeinflussen. Allerdings scheint der Einsatz von Roggen einen Einfluss auf den Wasserverbrauch der Tiere, den Trockenmassegehalt der Einstreu, aber auch auf die Fußballengesundheit von Masthühnern zu nehmen, was vor allem im Hinblick auf die Fußballengesundheit negativ zu beurteilen ist. Diese Effekte wurden möglicherweise durch die höheren NSP-Gehalte der Roggenrationen hervorgerufen. Inwieweit die teilweise abweichenden Ergebnisse zwischen den beteiligten Einrichtungen durch die verwendete Genetik oder die Haltungsumwelt bedingt sind, kann anhand der vorliegenden Daten nicht geschlussfolgert werden.

Autoren der Studie:

Pia Niewind, Dr. Jochen Krieg, Josef Stegemann, Landwirtschaftskammer NRW
Dr. Philipp Hofmann, Felicitas Ahrens, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Kitzingen,
Dr. Reinhard Puntigam, Tierernährung, Universität Bonn
Peter Weindl, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Freising