Dass Schweine über einen bemerkenswerten Geruchssinn verfügen, ist spätestens seit dem Trüffelschwein bekannt. Jetzt hat die Nutztierforschung den Schweinerüssel für sich entdeckt: Ein Forscherteam der Universität Hohenheim entwickelte ein neuartiges „Sniffer-Pig-Board“, das konventionell gehaltene Mastschweine als auch Jungsauen nachhaltig beschäftigen soll. Die Wissenschaftler stellten die Tiere vor Aufgaben, die sie nur kognitiv mit ihrer Nase lösen konnten. Der Erfolg war bemerkenswert, er lag bei 88,1 %.
Haie, Rothirsche, Hunde - sie zählen, wie auch Schweine, zu den Makrosmaten. „Damit sind Tiere gemeint, die über einen hochentwickelten Geruchssinn verfügen“, erklärt Dr. Heidi Arndt, Fachtierärztin für Tierschutzkunde. Das Leben von Makrosomaten kreist um ihr Riechorgan, es prägt die Nahrungssuche ebenso wie die Partnerwahl. Im Gegensatz zum Menschen, einem Mikrosomaten, verfügen diese Tiere über eine enorme olfaktorische Ausstattung: Während Menschen in ihrer Nase lediglich über rund 10 Mio. Riechzellen verfügen, besitzen Hunde bis zu 330 Mio. und Schweine gar bis zu 1 Mrd.
Tierische Riechleistung
Die Vermutung liegt also nahe, dass Schweine, wie auch Hunde, nicht nur besonders gut olfaktorische Lernaufgaben lösen können, sondern dies auch ausgesprochen gerne und damit nachhaltig motiviert tun. Arndt, die privat Suchhunde in einer Rettungshundestaffel ausbildete, fasziniert die überlegende Riechleistung von Tieren. „Wie erleben sie die Welt? Das frage ich mich immer wieder“, erzählt sie und berichtet, dass verschiedene Interessensgebiete bei ihrem Forschungsprojekt „Sniffer-Pig-Board“ zusammenliefen. Ihm widmete sie sich 2023 über elf Monate und damit, wie es im Titel weiter heißt, der „Entwicklung eines neuartigen Beschäftigungsobjekts zur kognitiven Umweltanreicherung in der Schweinehaltung“. Die Machbarkeitsstudie, die gemeinsam mit Doktorandin Pauline Alffen und unterstützt durch Fachgebietsleiter Prof. Dr. Volker Stefanski entstand, wurde im April 2024 abgeschlossen und von den QS-Wissenschaftsfonds mit 29 748 € gefördert.
„Als Wissenschaftler haben wir uns gefragt, wie wir Schweine innerhalb der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung kognitiv fordern können, um ihnen so flächendeckend mehr Wohlbefinden zu verschaffen“, erklärt Arndt, die bei ihrem Projekt von fünf Tierärztinnen und Agrarwissenschaftlerinnen der Universität Hohenheim unterstützt wurde. Anders als beim strukturellen Enrichment, das Schweinen in ihrer Stallumgebung beispielsweise Beißmaterialien anbietet, an denen die Tiere jedoch recht schnell ihr spielerisches Interesse verlieren, zielt kognitives Enrichment auf eine nachhaltig wirkungsvolle Form der Beschäftigung. Die intrinsische Motivation und die Befriedigung von arteigenen Bedürfnissen sind dabei entscheidend.

Foto: Universität Hohenheim
Das Sniffer-Pig-Board verfügt über acht Riechschächte, darüber acht gelbe Taster, die die Schweine mit der Nase drücken können. Die Schächte werden von außen mit wechselbaren Geruchsträgern bestückt, dazu dienen Mulltupfer mit ätherischen Ölen, die in Schraubgläser stecken. Ganz rechts befindet sich ein Trog für die Futterbelohnung.


Erfolg führt zu Wohlbefinden
„Andere Forschungsergebnisse zeigen uns bereits, dass Schweine, wenn sie eine erlernte Aufgabe erfolgreich bewältigen, positiv reagieren und das langfristig zu mehr Wohlbefinden führen kann. Systematisches kognitives Enrichment innerhalb der konventionellen Schweinehaltung ist allerdings neu und wurde, soweit mir bekannt, bislang nicht erforscht“, so Arndt. Inspiriert von weiteren Studien, die die sensorischen Fähigkeiten von Schweinen herausheben, entwickelte sie mit ihrem Team ein spezielles Geruchsdifferenzierungstraining. Es basiert auf einem eigens entwickelten Sniffer-Pig-Board, eine Art olfaktorische Trainingswand, die fest im Schweinestall eingebaut ist. Zwei dieser Prototypen installierte das Projektteam in den Haltungsbereichen von Mastschweinen und Jungsauen, die zur universitären Versuchsstation „Unterer Lindenhof“ in Eningen unter Achalm gehören.
Insgesamt 48 Versuchstiere, aufgeteilt in drei Gruppen mit Jungsauen und sechs Gruppen mit Mastschweinen, lernten daraufhin – mit Hilfe positiver Futterverstärkung – das Sniffer-Pig-Board und ihre Aufgabe kennen. Danach begann das eigentliche, wissenschaftlich evaluierte Training. Dazu wurde jeweils eine der Haltungsgruppen in eine Wartebucht umgestallt. Von dort aus starteten – Schwein um Schwein – die einzelnen Trainingsrunden. Hierzu wurde je ein Tier über einen Verbindungsgang, in dem es an einem regelmäßig ausgetauschten Referenzgeruch schnuppern konnte, in eine benachbarte Trainingsbucht gebracht.
Das hier installierte Sniffer-Pig-Board präsentierte dem Schwein bis zu acht unterschiedliche Gerüche, wie Orange, Eukalyptus, Pfefferminz, Zitrone oder Bergamotte, die jeweils mit einem Taster kombiniert waren. Sobald das Tier den Referenzgeruch erkannte, so die finale Differenzierungsaufgabe, sollte es den dazu gehörigen Taster mit seiner Rüsselscheibe drücken und damit den Fund anzeigen. Im richtigen Falle leuchtete unmittelbar eine Lampe auf und es erklang eine immer gleiche, bestätigende Tonfolge. Eine Futterbelohnung, die eine Trainerin in einen von außen zugänglichen Trog legte, beendete die einzelne Trainingsrunde, die sämtlich per Video dokumentiert wurden.
Komplexes Training
Für die Studie wertete das Forschungsteam insgesamt 548 Trainingsrunden aus. Von ihnen verliefen 88,1 % erfolgreich: Die Schweine lösten die gestellte Aufgabe richtig, indem sie den Zielgeruch korrekt anzeigten. In 45 % der Fälle gelang dies auf Anhieb, ohne dass ein Fehlversuch oder eine Hilfestellung seitens der Trainerin, wie beispielsweise ein animierendes Klopfen auf das Board, vorausgingen. „Insgesamt zeigten sich die Schweine als enorm motiviert und schlau. Obwohl das Training komplex war, lernten sie es in kurzer Zeit“, fasst Arndt, die gerne auch die tierindividuellen Unterschiede beobachtete, zusammen. „Es gab Schweine, die waren so motiviert, dass sie immer wieder den richtigen Fund über den Taster bestätigen wollten, auch dann, wenn sie die Futterbelohnung gar nicht essen mochten.“
Bei 332 Trainingsrunden evaluierten die Wissenschaftlerinnen zudem die Aufmerksamkeit, die die Tiere beim Training zeigten: In 72,7 % der Fälle wandte sich das Schwein, sobald es die Trainingsbucht betrat, initial dem Sniffer-Pig-Board zu und bewegte sich zielstrebig dorthin. Nur selten widmete es sich lieber dem Futtertrog (6,6%) oder der regelmäßig wechselnden Trainerin (1,2%). Zudem trugen die meisten Schweine, während sie sich mit ihrer Geruchsaufgabe beschäftigten, ihren Schwanz fortwährend geringelt (86,4%) und stellten ihre Ohren auf (72%). Beides gilt als Indikator für Wohlbefinden.

Makro- oder Mikrosomat?
Satt, sauber – und zufrieden
Dass dieses gesellschaftlich zunehmend gefordert wird und daher Forschungsprojekte wie Sniffer-Pig-Board dem Zeitgeist entsprechen, da ist sich Arndt sicher. „Verschiedene Studien zeigen, dass der Anspruch an die landwirtschaftliche Nutztierhaltung seit Jahren steigt“, erklärt sie. „Während es früher um satt und sauber ging, gehört heute auch das Wohlbefinden der Tiere zu einer gesellschaftlich akzeptierten Haltungsform.“ Kognitive Enrichment-Objekte, wie das Sniffer-Pig-Board, das habe ihre Machbarkeitsstudie gezeigt, böten dazu eine langfristig wirkungsvolle Möglichkeit.
Nur zu gerne würde die Tierärztin weiter an der „Sniffer-Pig-World“ forschen, erneut an ihren Prototypen schrauben und ihren „gefühlt 100 Forschungsansätzen“ nachgehen. „Neben vertiefenden Daten würden wir gerne die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten in den heute üblichen Haltungssystemen evaluieren und ein automatisiertes, personenunabhängiges Training realisieren“, überlegt sie laut. Sogar den Einsatz von KI für tierindividuelles Lernen denkt sie an. Was allein noch fehle, sei ein starker Partner, der die Forschung weiter unterstütze und die „Sniffer-Pig-World“ zur Praxisreife bringe.
Praxistipp für Schweinehalter
Dass Schweine sich gut über ihren Geruchssinn beschäftigen lassen, zeigen noch weitere Studien zur Nutztierhaltung. So wurde den Tieren beispielsweise ein Tau oder Seil in die Bucht gehängt, das zuvor mit Knoblauch eingerieben oder getränkt wurde. Die Schweine zeigten daran viel Interesse und nutzten das Angebot aktiv. Wer es nachmachen möchte, dem empfehlen sich natürliche Seil-Materialien, wie Sisal, Hanf oder Baumwolle.