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Ökolandbau NRW

Umstellen auf Ökolandbau

11.03.2021

Perspektiven für den Ökolandbau?

Rund 25 umstellungsinteressierte Landwirtinnen und Landwirte hatten sich am vergangenen Dienstag und Mittwoch an ihren Rechnern eingeloggt, um gemeinsam mit Fachberatern und potenziellen Handelspartnern die Chancen und Risiken einer Umstellung ihrer Betriebe auf ökologischen Landbau zu erörtern.

Damit stieß der Umstellertag der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, den sie zum elften Mal zusammen mit den vier in NRW aktiven Öko-Anbauverbänden und einigen Marktpartnern durchgeführt hat, dieses Jahr auf deutlich weniger Interesse, als es die Veranstalter aus den vergangenen Jahren gewohnt waren. Doch etwa noch einmal so viele „Zuhörer“ stellte die Klasse der Fachschule für Ökologischen Landbau in Güstrow/ Mecklenburg-Vorpommern - ein Zeichen dafür, dass in Zeiten von Online-Tagungen das Angebot an spezieller Beratung und Information weit über die ansonsten eher hinderlichen Landesgrenzen hinaus problemloser wahrgenommen werden kann und auch wird.

„Die Nachfrage nach Bioprodukten wächst kontinuierlich und hat durch Corona noch einmal einen deutlichen Schub erhalten. Bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern hat ein Umdenken eingesetzt, was ihre Haltung zur Erzeugung von Lebensmitteln betrifft. Da kann der Ökolandbau punkten und es ist eine günstige Zeit, den Betrieb umzustellen“, stimmte Dr. Karl Kempkens, Landwirtschaftskammer NRW, die Teilnehmer optimistisch. Das umfangreiche Versuchswesen - alleine die Landwirtschaftskammer unterhalte drei Öko-Versuchsbetriebe - sowie die Etablierung von drei Ökomodellregionen nun auch in Nordrhein-Westfalen untermauere den politischen Willen, die biologische Erzeugung von Lebensmitteln voranzutreiben.  „Für Sie ist es wichtig, zu wissen: Wie sieht der Markt für Ökoprodukte aus und fließen die ökologisch erzeugten Produkte auch ab?“, meinte Dr. Kempkens. „Daher möchten wir mit dem Umstellertag die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen.“

Deshalb seien auch die vier Bioanbauverbände Biokreis, Bioland, Demeter und Naturland mit im Boot. Annette Alpers, Naturland, betonte für die Landesvereinigung Ökologischer Landbau NRW die Aufgabe der Verbände, die Interessen der Ökolandwirte bei Behörden und Politik zu vertreten und die enge Kommunikation mit den Verbrauchern zu pflegen. „Wir möchten den Menschen verdeutlichen, dass es beim Ökolandbau um eine Systemumstellung geht und Boden, Pflanzen und Tiere als Einheit zu sehen sind, die es zu schonen gilt.“

Fahrplan schmieden

Im ersten der beiden Tagungs-Blöcke ging es um eine Vorstellung des Ökolandbaus und der sich ändernden Rahmenbedingungen während einer Umstellung im Allgemeinen; am zweiten Tag konnten die Teilnehmer in den Arbeitsgruppen Acker- und Gemüsebau, Geflügelhaltung, Schweinehaltung sowie Rindfleischerzeugung/Gemischtbetriebe ihre konkreten Fragen mit den jeweiligen Beraterinnen und Beratern sowie den entsprechenden Marktpartnern erörtern. Alles in virtuellen Gruppen, was jedoch nach nunmehr knapp einem Jahr Erfahrung mit online-Veranstaltungen gut gelungen ist.

Welche Voraussetzungen ein landwirtschaftlicher oder gärtnerischer Betrieb erfüllen sollte, um selbigen mit langfristigen Erfolgschancen auf Ökoanbau umstellen zu können, und welche allgemeinen Regeln zu beachten sind, erläuterte Georg Pohl, Landwirtschaftskammer NRW. So nannte er zunächst die Vorgaben für den Ackerbau, wie die Verwendung von ökologisch vermehrtem Saat- und Pflanzgut, auch für die Futterbauflächen und bei der Grünlandnachsaat. „Ausnahmen gibt es nur bei Mangel an geeigneten Sorten und nach festgelegtem Verfahren“, so Pohl. Weiterhin gehe es um den Verzicht auf leicht lösliche, mineralische Düngemittel - „hier sind gemäß der Positivliste, Anhang I und II der Öko-VO 889, nur bestimmte Mittel zugelassen, wie Champost“ - sowie den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel: „Die Unkrautregulierung ist nur mit mechanischen und thermischen Verfahren möglich.“ Für die ökologische Tierhaltung gelte unter anderem, dass Tierzukäufe aus ökologisch wirtschaftenden Betrieben erfolgen müssen und kein genereller, vorbeugender Einsatz von antibiotischen Tierarzneimitteln erlaubt sei. Außerdem sei die Tierhaltung an die Fläche gebunden und Vorgaben bei den Stallausführungen und Mindeststall- und Auslaufflächen zu beachten, zählte Pohl weitere Punkte auf.

„Kann und will der Betriebsleiter diese Regelungen für seinen Betrieb einhalten, ist noch vor der Umstellung zu bedenken, dass das Prozedere in Abhängigkeit vom Produktionsschwerpunkt Zeit und Durchhaltevermögen erfordert. Das setzt Liquidität voraus, denn der Verkauf der Erzeugnisse erzielt in den beiden Umstellungsjahren noch nicht die vollen Preise für Bioprodukte“, gab Pohl zu bedenken. Sehr zu empfehlen sei es außerdem, sich einem der vier Öko-Verbände anzuschließen. Nicht nur, weil manche Marktpartner ausschließlich Verbandsware abnehmen. „Wesentlich sind die enge Vernetzung der Betriebe innerhalb eines Verbandes, aber auch zu den Betrieben anderer Verbände, ihr offener Austausch sowie die Möglichkeiten, voneinander zu lernen“, betonte der Referent.

Was heißt Ökolandbau?

alt: Verordnung (EG) Nr. 834/2007 sowie Durchführungs-VO Nr. 889/2008

neu (gilt ab 1. Januar 2022): Verordnung (EU) 2018/848 als gesetzliche Grundlage (Ziele, Grundsätze, Regeln) für den ökologischen Landbau

Ziele der EG-Öko-Basisverordnung:

  • Schutz der Verbraucher vor Irreführung
  • Schutz der Erzeuger, Verarbeiter und Händler vor unlauterem Wettbewerb
  • Profilierung und Stärkung des Öko-Sektors durch Transparenz aller Erzeugungs- und Verarbeitungsschritte

Geltungsbereich:

    • gilt EU-weit für unverarbeitete Agrarerzeugnisse einschließlich Fische und die für den menschlichen Verzehr bestimmten verarbeiteten Agrarerzeugnisse sowie Futtermittel

Alle wollen Öko

Natürlich berge die Umstellung auf Ökolandbau auch Risiken, so Georg Pohl. So lägen die Erträge oftmals deutlich unter den konventionellen Erträgen. „Und das Qualitätsrisiko ist ebenso zu tragen, hängt aber in starkem Maße vom Vermarktungskanal ab. Im LEH muss die Gurke genauso aussehen wie eine konventionelle Gurke, eben nur mit dem Bio-Aufkleber versehen, da kann man sich kein schlechtes Gemüse leisten.“

Eine Chance sei in der Tatsache zu sehen, dass der Ökomarkt ein Wachstumsmarkt ist. „Bei Babynahrung liegt der Anteil an Bioprodukten in Deutschland bei 50 %“, meinte Pohl. Der Handel - auch der Lebensmitteleinzelhandel - suche vermehrt nach regionaler Bioware. „Zurzeit kann man fast den Eindruck gewinnen, alle wollten Öko. Das eröffnet Absatzpotenziale und die Marktpartner sind in der Regel an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert“, machte der Referent aus dem Ökoteam der Landwirtschaftskammer Mut. „Der alles entscheidende Faktor bei der Überlegung, auf Bio umzustellen, bleibt aber der Mensch dahinter, die Vorstellung davon, dass und wie sich mit einem Ökobetrieb die betriebliche Zukunft gestalten und die familiäre Zukunft leben lassen.“

Hier geht es zum Vortrag von Georg Pohl.

Erfolgreich mit Ökoschweinen

Jan Spliethofe hat 2015 den Schweinemastbetrieb seiner Eltern in Senden übernommen. Ausgebildet als konventioneller, staatlich geprüfter Landwirt - „eine alternative Ausbildungsmöglichkeit mit Inhalten des Ökolandbaus gab es nicht im Münsterland und wurde auch nicht gefördert“ -, hatte er zwar das nötige Know-how zum Führen eines Betriebs, war aber mit der Gesamtsituation, vor allem der Marktlage für Schweine, unzufrieden und sah keine sinnvollen Entwicklungsmöglichkeiten. „Ich hatte damals schon eine kleine Familie und zusammen haben wir überlegt: Was können wir tun? Umbauen? Modernisieren? Neu bauen? Erweitern? Die Leistung erhöhen? Keine dieser Richtungen hat uns wirklich überzeugt“, erinnerte sich der heute 37-Jährige, der den Berufskollegen an den Bildschirmen zuhause seinen Umstellungs-Werdegang vorstellte. Die letzte Möglichkeit, die die Familie in Erwägung gezogen habe, sei der Ausstieg aus der Landwirtschaft gewesen.  „Doch dafür habe ich mich nicht drei Jahre lang ausbilden lassen!“ Spliethofe habe sich für eine Richtungsänderung entschieden. Mehr durch Zufall wusste er, dass Bioland Bioferkel suchte, was ihn zu der damaligen Marktlage zunächst erstaunte. „Ich habe zahlreiche Gespräche mit den Beratern bei Bioland geführt und wir sind durch ganz NRW gereist, um Beispielbetriebe anzusehen und mit den Betriebsleitern zu sprechen, die erfolgreich ihren Mastbetrieb umgestellt hatten. In der unmittelbaren Nachbarschaft gibt es ja keinen, den ich hätte besuchen können“, erinnerte sich der junge Landwirt an die Anfänge.

Und nachdem die ganze Familie Spliethofe, Jung und Alt, übereingekommen war, dass sie sich mit dem Ökolandbau identifizieren und diese Produktionsrichtung überzeugt vertreten kann, habe der Schweinehalter mit der detaillierten Planung begonnen und Berater, Vermarkter, Behörden, Verpächter und die Banken mit in seine Überlegungen einbezogen. „Eine Herausforderung war es zum Beispiel für die Stallbaufirma und den Architekten, die bislang nichts mit Ökoverordnungen zu tun hatten, die Ställe so zu planen, dass Arbeitsspitzen gekappt werden konnten, die durch die Haltung auf Stroh entstehen würden. Sie mussten die Mistachsen ganz neu berechnen“, so Spliethofe. Zuletzt seien einige der Altgebäude der Abrissbirne zum Opfer gefallen, damit genügend Platz für die neuen Ställe samt der Ausläufe entstehen konnte. Ein neuer Maststall für 500 Schweine wurde gebaut. „Die Grundfläche war riesig, das haben wir erst beim Bau gemerkt“, so Jan Spliethofe. „Und auch die Mistplatte sollte besser für zwölf Monate Lagerkapazität und auf keinen Fall zu knapp dimensioniert werden.“

Vor vier Jahren sei der Entschluss zur Umstellung gefallen, seit zwei Jahren vermarktet Spliethofe seine Bioschweine zu festen Preisen. „Der Abnahmevertrag geht über fünf Jahre, er war das Herzstück meiner Argumentation, mit dem ich an die Banken herangetreten bin“, betonte der Landwirt, dessen Fazit positiv ausfällt. „Es war für uns die richtige Entscheidung, umzustellen. Auch wenn Ackerbau und Tierhaltung natürlich ihre Höhen und Tiefen haben. Prinzipiell bietet die Vermarktung unserer Bioschweine und Ackerfrüchte viele interessante Möglichkeiten“, meinte er und betonte, dass Ökolandbau kein Selbstläufer sei. „Der Ökolandbau bietet aber tolle Chancen für engagierte und rücksichtsvolle Betriebsleiter. Man sollte offen sein für Austausch und Neues.“

Hier geht es zum Vortrag von Jan Spliethofe

Jan Spliethofe hat vor sechs Jahren den Schweinemastbetrieb von seinem Vater übernommen; seit vier Jahren bewirtschaftet er den Betrieb ökologisch nach Bioland-Richtlinien. Foto: Christian Wucherpfennig

Marktpartner suchen und finden

Beispielhaft acht Marktpartner stellten sich den potenziellen Umstellern in Kurzportraits vor. Allen gemein ist: Sie sind auf der Suche nach Produzenten von Bioerzeugnissen, vom Ei über Fleisch, Getreide bis hin zu Obst und Gemüse.

Biofino GmbH und Co. KG (www.biofino.de): Alexandra Rupprecht erläuterte die Struktur des Unternehmens, das Frischfleischprodukte von Biogeflügel - Puten und Hähnchen -  herstellt und vermarktet. Sitz ist Emstek in Niedersachsen, gesucht werden Lieferanten in Nord- und Nordwestdeutschland.

Biomühle Hamaland (www.hamaland.bio.de): Lorenz Sökefeld betonte die Regionalität der Rohstoffe, die die Mühle zu Biomischfutter für alle Tierarten verarbeitet. Die Biomühle nimmt Verbandsware aller Bioverbände ab. Sitz der Mühle ist Gescher im Kreis Borken.

Biolandhof Engemann (www.engemann-bio.de): Alexander Krahn stellte die beiden Hauptsparten des Unternehmens vor, das neben einem eigenen Biobetrieb in der Warburger Börde einen Getreide- und Leguminosenhandel und einen Handel für Obst und Gemüse betreibt. Gesucht werden vor allem Druschfrüchte in Verbandsqualität aus NRW, Hessen und Niedersachsen.

Genossenschaft der Ökobauern e.G. (www.genossenschaft-der-oeko-bauern.de): Klaus Rauhaus präsentierte die Vermarktungsorganisation mit Sitz in Lippetal, die vor allem Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln verpackt und an den Lebensmitteleinzelhandel vermarktet. Die rund 65 aktiven Mitgliedsbetriebe stammen vor allem aus Deutschland, davon 80 % aus NRW. Die Genossenschaft will regional und deutschlandweit liefern.

Hof Alpermühle (www.dein-land-ei.de): Andreas Klose stellte den Betrieb bei Nümbrecht vor, der zum Ziel hat, gute Landeier sowie weitere regionale Produkte an Konsumenten in der Stadt zu liefern. Zum Einzugsgebiet gehören die Städte Köln, Bonn und Düsseldorf mit ihrem kaufkräftigen Publikum. Der Hof Alpermühle ist an langfristigen Abnahmeverträgen interessiert.

Landgard Bio GmbH (www.landgard.de/ Stichworte Landgard Tochtergesellschaften/ Landgard-bio): Albert Fuhs stellte das Handelsunternehmen in Roisdorf vor, das deutschlandweit Obst und Gemüse aus dem Rheinland vermarktet. Das Regionalprogramm Rheinland soll dafür sorgen, dass auf kurzen Wegen die Kunden bedient werden. Die Nachfrage nach Bioerzeugnissen steigt im klassischen LEH nach Fuhs Beobachtungen stark an, Landgard möchte diese Nachfrage mit heimischen Bioprodukten bedienen.

Naturverbund Niederrhein (www.naturverbund.de): Bruno Jöbkes erläuterte das Konzept des Schlachtunternehmens in Wachtendonk, das Rinder, Schweine und Geflügel aus regionaler Landwirtschaft schlachtet und an Metzgereien, Biosupermärkte und den Biofachhandel im Raum Rhein/Ruhr vermarktet. Dabei sind kleine, dezentrale Strukturen und kurze Transportwege eine wichtige Unternehmensphilosophie.

Upländer Bauernmolkerei (www.bauernmolkerei.de): Sven Lorenz stellte die Milcherzeugergemeinschaft mit Sitz im hessischen Usseln, die zurzeit aus 15 Betrieben in Hessen und NRW besteht und dieses Jahr 25 Jahre alt wird, vor. 44 Mio. kg Kuhmilch werden jährlich verarbeitet. Eine deutliche Produktionserweiterung geht im Herbst 2021 in Betrieb.

Die Marktpartner in NRW suchen Bio-Ware.

Über die vorgestellten acht Untenehmen hinaus gibt es noch viele weitere Öko-Marktpartner in NRW. Die in NRW tätigen Ökoverbände Biokreis, Bioland, Demeter und Naturland, die sich den Landwirtinnen und Landwirten beim Umstellertag vorgestellt haben, finden Interessenten unter www.oekolandbau.nrw.de/beratung

Meike Siebel, Landwirtschaftskammer NRW