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Ökolandbau NRW

Was tun gegen Falschen Mehltau im Bio-Weinbau?

02.05.2025

Mit dem Projekt VITIFIT geht Ende 2025 das bisher größte deutsche Praxisforschungsprojekt im Ökoweinbau zu Ende. In dem fast siebenjährigen Projekt haben sich alle führenden Einrichtungen der deutschen Weinbauforschung mit Öko-Anbauverbänden sowie Praxispartnern aus Wirtschaft und Ökoweinbau zu einem Verbundprojekt zusammengeschlossen. Wichtigstes Ziel des Projekts ist die Entwicklung neuer Pflanzenschutzstrategien gegen Falschen Mehltau. 

An der Veranstaltung in Merzhausen bei Freiburg (Breisgau) nahmen Anfang April 2025 knapp 300 Fachleute aus Forschung, Praxis und Politik teil. Schwerpunkte der Veranstaltung waren das Potenzial sogenannter pilzwiderstandsfähiger Rebsorten (PIWIs) und ihre Etablierung im Handel und bei Verbrauchern sowie die mögliche Wiederzulassung von Kaliumphosphonat im Ökoweinbau.

Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) gefördert. 

Multiplikatoren und Spitzenbetriebe einbinden

Olympia Samara, Demeter, betonte in ihrem Beitrag, wie wichtig die Einbindung von Multiplikatoren für die Etablierung von PIWIs ist. Deshalb seien auch Workshops und Schulungen mit Fachleuten aus der Gastronomie, der Presse und mit Sommeliers Teil des Projekts gewesen. „Diese Zielgruppe spielt eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von PIWI-Weinen und deren Akzeptanz“, sagte Samara. Die Multiplikatoren rieten in den Workshops dazu, PIWI-Weine nicht auf den ökologischen Anbau zu beschränken und eine möglichst große Produktvielfalt anzubieten. Zudem sei die Einbindung von Spitzenbetrieben für die Ausweitung des Anbauumfangs unerlässlich.

Kein Pflanzenschutz ist keine Lösung

Wie viel Winzerbetriebe mit PIWI-Sorten beim Pflanzenschutz einsparen können, erläuterte Dorottya Simon vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR). Laut Simon sind die Resistenzen der verfügbaren Sorten unterschiedlich stark ausgeprägt. Neuere PIWI-Sorten würden mehrere Resistenzen verbinden und seien deshalb weniger anfällig für einen Durchbruch der Widerstandsfähigkeit durch angepasste Erreger. „Dennoch gilt für alle PIWI-Rebsorten: Kein Pflanzenschutz ist keine Lösung“, betonte Simon.

Die Versuche im Rahmen des VITIFIT-Projekts zeigten, dass beim Falschen Mehltau Einsparungen von 50 bis 80 % gegenüber den Standardsorten möglich sind, auch in Jahren mit starkem Erregerdruck. Der Pflanzenschutz müsse aber an den Standort, an das Resistenzpotenzial der Sorte und an die Witterung angepasst werden. Als weitere Vorteile der PIWI-Sorten nannte Simon einen geringeren Arbeitsaufwand beim Pflanzenschutz, weniger Überfahrten und damit eine geringere Bodenbelastung sowie mehr Flexibilität beim Erntetermin, da die Pflanzen länger gesund bleiben.

Keine Angst vor PIWIS 

Christoph Kiefer von der Hochschule Geisenheim erläuterte, wie die Akzeptanz von PIWI-Sorten beim Handel und bei Konsumenten erhöht werden kann. In einer Befragung hatten nur 14 % der Teilnehmenden schon einmal von PIWIs gehört. Laut Kiefer habe sich aber in durchgeführten Gruppendiskussionen gezeigt, dass Informationen zu den Besonderheiten von PIWI-Sorten das Interesse bei bestimmten Zielgruppen deutlich verbesserten. Das gelte vor allem für aufgeschlossene Frauen, junge Weininteressierte und die Gruppe der sogenannten LOHAs, die einen besonders nachhaltigen Lebensstil pflegen.

Kiefer sieht bei diesen Gruppen ein überdurchschnittliches Interesse an PIWIs und eine überdurchschnittlich hohe Kaufwahrscheinlichkeit. Wichtig sei eine aktive Bewerbung und die Vermittlung von Informationen zu diesen Sorten. Das sei etwa über Verkostungen, Weinfeste oder essensbegleitende Veranstaltungen möglich. 

Welche Vorteile PIWI-Sorten im praktischen Anbau bieten, erläuterte Prof. Marc Dreßler von der Hochschule Ludwigshafen, Weincampus Neustadt. Eine mehrjährige Untersuchung der Praxisdaten von Bio-Winzerbetrieben mit PIWI-Sorten bestätigte laut Dreßler Kosteneinsparungen von bis zu 80 % bei Pflanzenschutzmitteln und von 65 % beim Arbeitsaufwand. Überraschend seien jedoch vor allem die Ertragsvorteile in ungünstigen Jahren gewesen. Die PIWI-Erträge lagen laut Dreßler höher als bei Standardsorten und hätten deshalb das Betriebsergebnis deutlich verbessert.

PIWI-Sorten in die Praxis

Wie die Einführung von PIWI-Sorten in der Praxis gelingen kann, diskutierten Praktiker in einer Podiumsdiskussion. Martin Schmidt, Winzer aus Baden, baut auf 20 ha PIWI-Sorten an. Er riet dazu, bei der Vermarktung von PIWI-Weinen mit einem Crémant anzufangen. Das sei ideal für den Einstieg. Bei Verkostungen mit Verbrauchern kommen diese Weine nach seiner Erfahrung sehr gut an, vor allem, wenn zusätzlich die Vorteile im Anbau genannt werden. „Wir erreichen damit auch neue, junge Zielgruppen“, sagte Schmidt. 

Auch Andreas Dilger, Bio-Winzer und Vorstandsvorsitzender des PIWI Deutschland e.V., bestätigte, dass Verbraucher sehr aufgeschlossen für PIWI-Weine sind. „Wenn es gelingt, gute Qualitäten und Strukturen für PIWI-Sorten aufzubauen, werden sich diese Weine durchsetzen“, zeigte sich Dilger überzeugt. Sein Verband sehe PIWI als Marke und habe sich deshalb dazu entschlossen, PIWI-Weine mit einem offiziellen Logo vom Verband zu kennzeichnen.

Kupfer einsparen

Dr. Stefan Schwab von der Universität Erlangen-Nürnberg hob in seinem Beitrag die Vorteile der Formulierung von Kupfer in sogenannten CuCaps hervor, in denen der Wirkstoff in einer Fett-Matrix verteilt ist. Die CuCaps blieben nach Ausbringung an Blättern und anderen Pflanzenteilen sehr gut haften und ermöglichten eine langsame und kontinuierliche Freisetzung des Wirkstoffs. Auf Praxisbetrieben des VITIFIT-Netzwerks konnte mit dieser Formulierung bei gleicher Wirkung im Schnitt ein Drittel der eingesetzten Kupfermenge eingespart werden. Besonders gut war die Wirkung der CuCaps laut Schwab an Trauben.

Die Vorteile von CuCaps bestätigte auch Prof. Johanna Döring von der Hochschule Geisenheim, die über die Ergebnisse der VITIFIT-Strategieversuche zur Kupferreduzierung berichtete. Die beste Wirkung gegen Falschen Mehltau am Standort Geisenheim hätte in schwierigen Jahren wie 2021 und 2024 eine Kombination von CuCap-Präparaten und Kaliumphosphonat gezeigt. Allerdings hat Kaliumphosphonat seit 2013 keine Zulassung mehr für die Anwendung im Ökoweinbau.

Ministerielle Unterstützung

Für die Wiederzulassung von Kaliumphosphonat im Ökoweinbau machte sich der noch amtierende Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir stark. „Die Betriebe brauchen für schwierige Jahre dringend eine Ergänzung zu Kupfer. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, Kaliumphosphonat nicht zu nutzen. Deshalb werde ich die Zulassung unterstützen“, sagte der Minister. Der Antrag für die Wiederzulassung sei bereits Ende 2024 bei der zuständigen EU-Kommission eingereicht worden.

Zudem lobte Özdemir die Ergebnisse des VITIFIT-Projektes, die auch international auf großes Interesse stießen. Dabei hob er die Fortschritte im Bereich der Resistenzzüchtung (PIWI-Sorten) hervor, die Anpassung des Prognosemodells VitiMeteo für PIWI-Sorten und die Weiterentwicklung innovativer Pflanzenschutzstrategien. Özdemir: „Der Erfolg des Projekts beruht vor allem darauf, dass Wissen aus allen Bereichen zusammengeführt wird und man auf Augenhöhe mit der Praxis arbeitet.“

Vorzügliches Phosphonat

Prof. Randolf Kauer von der Hochschule Geisenheim hob ebenfalls die Bedeutung von Kaliumphosphonat für den Ökoweinbau hervor. „Bei der Anwendung geht es vor allem um kritische Jahre, die die Wirtschaftlichkeit der Betriebe bedrohen“, sagte der Experte. Im aktuellen Sachstandbericht, der mit dem Antrag bei der EU-Kommission eingereicht wurde, habe man aktuelle Erkenntnisse zu kritischen Punkten aufgenommen. So sei die Vorzüglichkeit von Phosphonat gegenüber Kupfer bezüglich der Toxizität und Anreicherung im Boden absolut eindeutig. Auch Rückstände seien bei stadienangepasster Anwendung bis zum Ende der Blüte kein Problem. Dennoch sei noch ein dickes Brett zu bohren, um die Kommission zu überzeugen. 

Wie wichtig eine Wiederzulassung von Kaliumphosphonat wäre, unterstrich Bio-Winzer Claus Burmeister in der abschließenden Podiumsdiskussion. Ohne die Möglichkeit des Einsatzes von Kaliumphosphonat musste er etwa im regenreichen Jahr 2016 einen riesigen Aufwand beim Pflanzenschutz betreiben und kam trotzdem nur auf ein Drittel des üblichen Ertrags. Er habe kein Verständnis für die Aufhebung der Zulassung. „Wir können solche schlechten Jahre wie 2024 finanziell nicht mehr tragen“, sagte Burmeister. „Die Reserven sind aufgebraucht.“


Jürgen Beckhoff, BÖL