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Ökolandbau NRW

Wem bieten Bio-Schweinen Chancen?

29.04.2022

Die Nachfrage nach Bio-Schweinen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, während der Markt für konventionelle Schweine seit längerem in einer tiefen Krise steckt. Im Format einer Online-Mitmach-Tagung sollte untersucht werden, welche Chancen eine Umstellung auf ökologische Schweinehaltung bietet, welche Schwierigkeiten auf die Betriebe zukommen und wie aktuell die Marktlage einzuschätzen ist.

Zu Beginn berichteten zunächst Landwirte von ihren Erfahrungen bei der Umstellung ihres Betriebes. Wilhelm Schulte-Remmert aus dem westfälischen Lippstadt hat seinen Betrieb 2014 umgestellt. Der zunächst bestehende Plan, eine Erweiterung der konventionellen Erzeugung vorzunehmen, wurde zugunsten der ökologischen Bewirtschaftung verworfen. „Die Entscheidung wurde letztlich von der ganzen Familie getroffen“, erklärte Schulte-Remmert, denn auch sein Sohn Sebastian ist nach dem Besuch der Ökofachschule in Kleve mittlerweile in den Betrieb eingestiegen. Für die 180 Sauen wurde komplett neu gebaut, während für die Ferkelaufzucht Altgebäude umgenutzt werden konnten.

Weniger Mastplätze

Dag Brodersen aus Reußenköge (Schleswig-Holstein) hatte vor der Umstellung mehr als 2 500 Mastplätze. Aufgrund des deutlich höheren Platzbedarfs von Bio-Schweinen werden heute noch knapp 1 200 Mastschweine gehalten. Die Hoffnung, mit Bio-Schweinen mehr Geld verdienen zu können, hat sich erfüllt. „Wir können auf sechs gute Bio-Schweinejahre zurückschauen“, freute sich Brodersen. Der Umbau der Vollspaltenställe wurde geschickt gelöst. In der Mitte der Buchten wurde jeweils eine planbefestigte Liegefläche eingerichtet. Die Einstreu erfolgt mit Heu, so dass die Kanäle nicht verstopfen. Die Ausläufe sind komplett unüberdacht und werden mit Kleegras eingestreut. „Die Schweine haben so immer eine Schicht auf der Haut und erleiden so auch im Sommer keinen Sonnenbrand“, erklärte Brodersen. Dabei besteht das Ziel, das Futter komplett selbst zu erzeugen, wofür rund 500 ha Fläche zur Verfügung stehen. „Wir wollen auch die biologischen Leistungsdaten, wie beispielsweise die Futterverwertung, immer weiter verbessern, um ressourcenschonend arbeiten zu können“, betonte Brodersen.

Abwärmenutzung aus der Biogasanlage

Im Landkreis Oldenburg (Niedersachsen) bewirtschaftet Johannes Sassen-Stolle einen Naturland-Betrieb mit 180 Sauen und 440 Mastplätzen sowie einer Biogasanlage. Vor der Umstellung wurden 270 Sauen im geschlossenen System gehalten. „Mit 270 ha Fläche für die eigene Futtererzeugung passen wir sehr gut in die Öko-Schiene“, betonte Sassen-Stolle. Bei der Abferkelbucht entschieden man sich für die Welconbucht, weil sie von ihren Abmessungen her gut in die vorhandenen Gebäude passte. „Für die Bucht spricht für mich auch der gute Blick der Sau auf das Ferkelnest“, berichtete Sassen-Stolle weiter. Als vorteilhaft erweist sich die Biogasanlage, denn deren Abwärme kann bei der Ferkelaufzucht und bei den Abferkelbuchten für Fußbodenheizungen genutzt werden. Als Tipp für die Umstellung wies Sassen-Stolle darauf hin, die Bauzeit und die lange Genehmigungspraxis nicht zu unterschätzen.

Verkauf eigener Bioferkel

Georg Schulze Nahrup bewirtschaftet im Münsterland einen Bioland-Betrieb und begann 2012 mit der Umstellung. Nach umfangreichen Um- und Neubauten konnte er 2014 mit dem Verkauf der ersten Bio-Ferkel beginnen. Der Bestand wurde aufgrund des größeren Platzbedarfs der Tiere auf 110 Sauen reduziert. Später folgte der Einstieg in die Mast mit rund 500 Mastplätzen. Für Umsteller hatte Georg Schulze Nahrup einige Ratschläge parat. „Wir haben während des Umbaus den Betrieb weiterlaufen lassen. Dadurch waren wir sehr eingespannt, sodass uns gelegentlich die Zeit für das Tagesgeschäft fehlte“, berichtete Schulze Nahrup. Man müsse auch nicht jeden Quadratmeter Platz ausschöpfen, weil es mit weniger Tieren manchmal leichter ist, Buchten sinnvoll zu strukturieren. Auch den Arbeitsaufwand sollte man nicht unterschätzen. „Wir kommen mit 30 Stunden je Sau im Jahr nicht hin“, betonte Schulze Nahrup, was natürlich auch der Altbausituation geschuldet sei. Die Vermarktung der Bio-Ferkel und Bio-Mastschweine erfolgt über einen regionalen Erzeugerzusammenschluss.

Familie Schulte-Remmert baute im Jahr 2014 im Zuge der Umstellung neue Stallungen für 180 Bio-Sauen. Fotos: Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer NRW

Für die ökologische Ferkelaufzucht ließen sich Altgebäude gut nutzen. Ein großzügiger Auslauf wurde an das Stallgebäude angefügt. Fotos: Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer NRW

Ressourcen sparsam verwenden

Tipps zur Bio-Fütterung gaben Achim Tijkorte von der Firma Reudink Bio-Futter und Ernst-Friedemann von Münchhausen von Gut Rosenkrantz. Tijkorte betonte, dass man nicht nur Bio-Futter verkaufen wolle, sondern ab Beginn der Umstellung den Hof in allen Bereichen begleiten wolle. Reudink ist seit über 20 Jahren im Bio-Bereich für den deutschen, niederländischen und belgischen Markt aktiv. Wichtig ist Tijkorte ein sparsamer Umgang mit den Ressourcen: „Nebenkomponenten aus der Lebensmittelverarbeitung und die Fermentation sind hier zwei Ansatzpunkte.“ Damit könne der Getreide- und Sojaanteil verringert werden und in der Mast sei eine Futterverwertung auch bei Bio-Erzeugung von deutlich besser als 1:3 möglich.

Ernst-Friedmann von Münchhausen berichtete von deutlichen Preissteigerungen für Bio-Futtermittel. Die niedrigen Getreidepreise gerade für Umstellungsware nach der Ernte 2020 verhinderten die Umstellung und Erweiterung zusätzlicher Flächen. „Das zahlt man jetzt drauf“, betonte von Münchhausen. Auch bei ökologischer Erzeugung werden viele Futtermittel aus dem Ausland importiert. Die hohen Frachtkosten führen teilweise dazu, dass es wirtschaftlicher ist Bio-Ware regional konventionell zu vermarkten. Auch niedrige Erträge bei Körnerleguminosen in den baltischen Staaten wirkten sich aus. Daher empfiehlt von Münchhausen den Betrieben, möglichst auch selbst Eiweißfuttermittel anzubauen. „Bio-Schweinehaltung hat auch viel mit Ackerbau zu tun“, schloss er daher auch sein Statement.

Vermarktung entscheidet

„Die Vermarktung ist bei Bio-Schweinen entscheidend“, erklärte Conrad Thimm, freiberuflicher Organisationsberater und Ausrichter der Tagung und betonte, dass es sich beim Bio-Schweinemarkt immer noch um einen sehr kleinen Markt handele. Hemmend wirken dabei auch die fehlenden Schlacht- und Vermarktungsmöglichkeiten in vielen Bundesländern. Im Folgenden gaben verschiedene Vermarkter einen Einblick in die Vermarktung von Bio-Schweinen.

Die Marktgesellschaft der Naturlandbauern ist Deutschlands größter Erzeugerzusammenschluss im Biobereich und ist komplett in bäuerlicher Hand, wie Tomás Sonntag, Ressortleiter für tierische Produkte, erklärte. „Die intensive Vernetzung mit den Landwirten verfolgt auch das Ziel Stabilität zu gewährleisten“, sagte Sonntag, wobei das Naturlandzeichen als Qualitätssiegel in allen Bio-Absatzschienen wahrgenommen werde. Die Erzeugerpreise liegen je nach Absatzweg zwischen 4,10 und 4,30 € je kg Schlachtgewicht bei 56 % Muskelfleischanteil. Der Bio-Ferkelpreis ist mit dem Preis für Mastschweine gekoppelt und liegt aktuell bei 164 € für ein 28-kg-Ferkel. Mit diesem System wird gewährleistet, dass Ferkelerzeuger und Mäster die gleiche Stundenverwertung erzielen.

De Groene Weg, ein niederländisches Schlachtunternehmen, verfügt über mehr als 40 Jahre Erfahrung mit der Verarbeitung von Bio-Fleisch. Dabei betonte auch Allard Bakker, dass man nur das produzieren könne, was auch vermarktet werden kann. „Die enge Zusammenarbeit mit den Landwirten ist uns wichtig“, hob Bakker hervor. Das Unternehmen legt den Fokus bei Erzeugung und Vermarktung auf Optimierung und nicht Maximierung.

Marian Mohrmann stellte das Unternehmen Friland Deutschland GmbH vor, dem europaweit größten Anbieter von Bio-Fleisch. Neben Bioland- und Naturlandware wird auch EU-Bio-Fleisch vermarktet. „Der starke Kostenanstieg der letzten Monate ist einerseits ein Hindernis, aber man wird nie den besten Zeitpunkt für die Umstellung finden“, so Mohrmann. Für die Zukunft sei es auch wichtig, das Image des Bio-Schweinefleisches zu verbessern.

Bei Tönnies kommt gegenwärtig nur ein Drittel des verarbeiteten Bio-Schweinefleisches aus Deutschland. Thomas Dosch, Geschäftsführer von Tönnies Bio, legt großen Wert auf deutsche Herkunft, die erforderlichen Mengen seien „in Deutschland aber derzeit nicht zusammenzubekommen“. Bio-Ferkel kommen aus den Niederlanden und vor allem aus Dänemark. „Das hat nichts mit dem Preis zu tun, sondern es liegt nur an der geringen Verfügbarkeit von Bio-Schweinefleisch in Deutschland“, erklärte Dosch. Mittlerweile haben rund 300 Betriebe Offenfrontställe für die Vermarktung über Tönnies errichtet, viele dabei auch für die Bioerzeugung.

Christoph Dahlmann, Geschäftsführer des seit 2001 bestehenden Erzeugerzusammenschluss Biofleisch NRW, sieht sich als „Direktvermarkter“ der Landwirte. „Unter regional verstehe ich Nordrhein-Westfalen“, hob Dahlmann hervor. Der Pioniergeist, der in der Anfangszeit erforderlich war, wird nach seiner Ansicht auch heute noch gebraucht. Der als Genossenschaft organisierte Erzeugerzusammenschluss verarbeitet ausschließlich Verbandsware.

Auch der Thönes Naturverbund mit Firmensitzen im niederrheinischen Wachtendonk und in der Nähe von Berlin vermarktet regional und hat daher seine Hauptabsatzschienen in der Rhein-Ruhr-Region und im Berliner Raum. „Bei den Mengen ist noch viel Luft nach oben. Die Ernährungstrends nehmen Genussfreude und Klimaschutz auf und das festigt die Strukturen“, schaut Geschäftsführer Bruno Jöbkes optimistisch in die Zukunft. Seine Botschaft an die Landwirte: „Es reichen 56 % Muskelfleischanteil, es müssen nicht mehr 60 % sein.“

Foto: Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer NRW

Foto: Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer NRW

Mehr tun als gesetzlich gefordert

Marcus Wewer, Referent für ökologischen Landbau bei der Rewe Group, legt Wert darauf, nicht nur Bio zu vermarken, sondern mehr als gesetzlich gefordert zu tun. „Rewe Bio ist die am stärksten wachsende Eigenmarke“, freute sich Wewer. Er begrüßte das Ziel der Politik, nicht nur 30 % in der Fläche, sondern auch im Handel anzustreben. Bei Rewe laufen erste Projekte, Bio-Fleisch auch in der Theke anzubieten, denn „abgepackte Ware ist nicht so ansprechend“.

Volker Lathwesen, Vertriebsleiter Gemeinschaftsverpflegung für den Berliner Raum bei der Transgourmet Deutschland GmbH & Co. KG, lenkte den Blick auf die „Tellermitte“, denn es sei vor allem das Bio-Fleisch, das den Preis in Kantinen erhöhe. „Wir reagieren, indem wir die Fleischportionen verkleinern und zunächst auf Bio-Rindfleisch setzen, weil hier die Preisabstände geringer sind“, erklärte Lathwesen. Es folgen Bio-Schweine- und Bio-Geflügelfleisch.

Schröder´s Biofleisch- und Wurstwaren hat sich auf die Verarbeitung und Vermarktung von Verbandsware spezialisiert. Ralf Stützer sieht in der Zukunft klar die Maxime „Klasse statt Masse“ und sucht für die Zukunft weitere Landwirte als verlässliche Partner.

Das Unternehmen GF Brand Qualitätsfleisch hat sich breit aufgestellt, mit 15 000 wöchentlich geschlachteten Schweinen ist man in der Schlachtbranche aber eher klein, wie Harm Böckmann, zuständig für Verkauf und Kommunikation, erklärte. „Wir wollen nicht mehr in der Größe wachsen, sondern das zurzeit auch noch verarbeitete konventionelle Fleisch durch höhere Haltungsformen ersetzen. „Dabei ist Bio das Ende der Reise“, so Böckmann, was auch für die Betriebe gelte, denn manche fangen zunächst mit einem Offenstall ein, wollen dann die Sauenhaltung einbeziehen und später auf Bio umstellen.

Die Online-Tagung konnte umstellungsinteressierten Schweinehaltern viele Perspektiven aufzeigen. Man hat die Auswahl zwischen bundesweit und regional auftretenden Unternehmen und es kann rein nach EU-Bio-Verordnung oder nach den strengeren Vorschriften der Anbauverbände gearbeitet werden. Auch besteht die Möglichkeit, zunächst Stallungen mit Stroh und Auslauf zu errichten und die Umstellung als nächsten Schritt anzugehen. Durch die langfristigen Partnerschaften mit langjährigen Lieferverträgen können erforderliche Investitionen abgesichert werden.


Christian Wucherpfennig,

Landwirtschaftskammer NRW