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Ökolandbau NRW

Symbiosen im Wurzelraum

12.03.2025

Eine einzelne Mutation kann die Symbiose von Pflanzen und Mikroorganismen erheblich verstärken – selbst auf gut versorgten Böden der modernen Landwirtschaft. Diese Entdeckung birgt daher das Potenzial, den Düngemitteleinsatz signifikant zu verringern.

Die Versorgung der Pflanzen mit Stickstoff- und Phosphatdünger ist entscheidend für hohe Ernteerträge, hat aber auch die bekannten Schattenseiten, wie Belastung des Grundwassers, klimaschädliche Lachgasemissionen und der hohe Energieverbrauch bei der Herstellung von mineralisch-synthetischen Düngemitteln. Pflanzen haben jedoch im Verlauf der Evolution natürliche Partner gefunden: stickstofffixierende Bakterien, sogenannte Rhizobien, und arbuskuläre Mykorrhiza-Pilze. Diese Mikroorganismen helfen den Pflanzen, Stickstoff und Phosphor aus der Umwelt aufzunehmen. Im Gegenzug erhalten sie Zucker und andere Wurzelabscheidungen. Allerdings treten diese Symbiosen vor allem auf nährstoffarmen Böden auf und sind auf gedüngten Böden oft ineffizient. Hier setzt eine neue Studie an: Könnte man Pflanzen so anpassen, dass sie das Zusammenspiel mit Mikroben auch unter landwirtschaftlichen Bedingungen effektiver nutzen?

Kalziumionen-Kanal steuert Symbiose

Pflanzenforscher haben in der Leguminose Medicago truncatula eine Mutation im Gen CNGC15 identifiziert, die die Aufnahme von Mikroben signifikant erhöht. CNGC15 ist ein Kalziumionen-Kanal, der in den Zellkernen der Wurzeln aktiv ist. Normalerweise steuert dieser Kanal zusammen mit einem weiteren Kanal namens DMI1, wann Pflanzen mit Mikroben interagieren. Dies geschieht über Kalzium-Oszillationen, also rhythmische Schwankungen der Kalziumkonzentration im Zellkern. Diese Oszillationen signalisieren der Pflanze, eine Symbiose mit den Mikroorganismen einzugehen.

Während CNGC-Kanäle in Säugetieren durch die Bindung von zyklischen Nukleotiden gesteuert werden, ist eine solche Regulation bei Pflanzen weitgehend unerforscht. Eine Hypothese besagt, dass das Protein Calmodulin daran beteiligt ist. Studien zeigen, dass Ca²⁺-gebundenes Calmodulin notwendig ist, um CNGC15 zu schließen, jedoch nicht, um es zu öffnen. Die Erforschung von Kanälen wie DMI1 und CNGC15 stellt eine besondere Herausforderung dar, da sie sich in der Kernhülle befinden – einer doppelten Membran, die den Zellkern umschließt und Kernporen enthält. Herkömmliche elektrophysiologische Methoden sind in lebenden Pflanzen daher schwer anwendbar.

Niederfrequente Kalzium-Oszillation verstärkt Symbiosen

Die neue Studie kombinierte daher genetische Methoden mit Bildgebungsverfahren. So entdeckten die Forscher und Forscherinnen, dass eine Aminosäure-Substitution in CNGC15 dazu führt, dass die Pflanze auch ohne Mikrobenkontakt niedrigfrequente Kalzium-Oszillationen erzeugt. Sie ist somit dauerhaft auf Symbiosen vorbereitet – selbst unter Bedingungen, die solche Partnerschaften sonst unterdrücken würden.

Die Forscher stießen auf diese Mutation, indem sie mittels TILLING eine Sammlung von Pflanzen mit zufälligen genetischen Veränderungen in CNGC15 durchsuchten. Um zu testen, wie sich die jeweilige Mutation auf die Zellaktivierung auswirkt, nutzte das Team genetisch veränderte Pflanzen, die einen Kalziumsensor enthielten. So konnten die Fachleute beobachten, dass die mutierten Pflanzen kontinuierlich Kalzium-Oszillationen aufwiesen - auch ohne Kontakt mit Mikroorganismen und unabhängig von DMI1. Dabei war die Frequenz der Oszillationen ohne DMI1 halb so hoch wie bei natürlichen Mikrobenkontakten als Auslöser.

Mutation führt zu mehr Flavonoiden

Mittels RNA-Sequenzierung und Massenspektrometrie untersuchten die Forscher, welche Gene in den mutierten Pflanzen verstärkt aktiv sind und welche Stoffwechselprodukte sie vermehrt bilden. Dabei zeigte sich, dass die Mutation und die damit verbundene niedrigfrequente Kalzium-Oszillation zu einer erhöhten Produktion von Flavonoiden, wie Naringenin und Liquiritigenin, führt. Diese pflanzlichen Signalstoffe locken Mikroben an. Im Ergebnis führte die Mutation zu einer höheren Anzahl von Wurzelknöllchen, in denen Stickstoff fixiert wird.

In einem anschließenden Experiment erzeugten die Forscher dieselbe Mutation in Weizen und stellten fest, dass auch die Mykorrhiza-Symbiose deutlich verbessert wurde. Weizen konnte unter realen Feldbedingungen mehr Phosphor aufnehmen - selbst in Böden mit hohen Düngerkonzentrationen. Das legt nahe, dass das Prinzip nicht auf Leguminosen beschränkt ist, sondern auf breite landwirtschaftliche Anwendungen ausgeweitet werden könnte.

Breite Anwendung denkbar - wenn die Erträge stimmen

Potenziell könnten zahlreiche Nutzpflanzen durch diese Mutation effizienter Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen, wodurch weniger Kunstdünger benötigt würde. Weniger Dünger bedeutet weniger klimaschädliche Lachgasemissionen und eine geringere Belastung von Gewässer-Ökosystemen. Zudem helfen die Symbiosen den Pflanzen, auch unter widrigen Bedingungen, wie Trockenheit, oder auf schlechten Böden zu gedeihen. Sollte die Entdeckung in die Praxis überführt werden, wäre dies ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren und ressourcenschonenderen Landwirtschaft. Allerdings steht noch der Nachweis aus, dass die verstärkte Symbiose tatsächlich zu Erträgen führt, die mit denen bei intensiver Düngung vergleichbar sind.


Quelle: Pflanzenforschung.de

Die Mutation verbesserte bei Weizen die Mykorrhiza-Symbiose. Foto: Claudia Hof-Kautz, Landwirtschaftskammer NRW