Nachhaltigkeit, Biodiversität, Tierwohl und Wirtschaftlichkeit gelten in der Landwirtschaft oft als schwer vereinbar. Dem Haslachhof in Löffingen im Schwarzwald gelingt dieses Kunststück.
Wolfram und Eva Wiggert haben auf ihrem Biobetrieb im Hochschwarzwald ein Konzept entwickelt, das der Idealvorstellung von Politik und Gesellschaft sehr nahekommt. Der Haslachhof versorgt eine nahegelegene Kommune nach Bedarf mit Strom und Wärme, hat eine extrem breite Fruchtfolge mit vielfältigen Kulturen und nahezu ganzjähriger Bodenbedeckung und erzeugt extensiv Fleisch, wobei die Anforderungen an das Tierwohl übererfüllt werden. Und nicht zuletzt arbeitet der Betrieb absolut wirtschaftlich.
Herausfordernde Standortbedingungen
Dabei sind die Voraussetzungen am Standort sehr bescheiden mit durchschnittlich 35 Bodenpunkten und einer rauen Mittelgebirgslage auf 800 m Höhe. Doch genau hier setzt das Betriebskonzept an. Wolfram Wiggert: „Wir achten darauf, dass alle Betriebszweige zum Standort passen und möglichst gut miteinander verzahnt sind. Dadurch gelingt es uns, in den einzelnen Betriebszweigen eine sehr hohe Wertschöpfung zu erreichen.“
Biogas für die Gemeinde
Wie konsequent und pragmatisch er diesen Ansatz verfolgt, zeigt sich an der Ausrichtung der Biogasanlage, die im Zentrum des Betriebskonzepts steht. Schon vor dem Bau der Anlage im Jahr 2006 hatten Wiggert und sein Vater Kontakt mit der nahegelegenen Stadt Löffingen aufgenommen und die Einspeisung von Strom und Abwärme ins Netz der Kommune angeregt. Heute versorgt er mit der 515 kW-Anlage etwa die Hälfte der knapp 8 000 Einwohner mit Strom und ist mit einem Einspeiseanteil von 42 % wichtigster Erzeuger von Nahwärme für die Gemeinde.
Dafür hat er die Anlage mit drei Blockheizkraftwerken und zusätzlichen Speichern für Wärme und Gas flexibilisiert. Dadurch kann er Strom immer dann erzeugen und an der Börse vermarkten, wenn der Bedarf und damit die Preise am höchsten sind. So erzielt er im Schnitt zusätzlich zur Einspeisevergütung weitere 2 bis 4 Cent pro kWh. Der Mehrerlös liegt pro Jahr bei rund 80 000 bis 160 000 €.

Eva und Wolfram Wiggert vor ihrem Hofladen. Fotos: Jürgen Beckhoff
Stickstoff aus dem Substrat
Die Biogasanlage trägt auch entscheidend zur Steigerung der Wertschöpfung im Ackerbau bei. Denn die Gärreste sind für den Biobetrieb als flexibel einsetzbarer N-Dünger besonders wertvoll. Pro ha stehen Wiggert damit 85 bis 90 kg Stickstoff im Jahr zur Verfügung. Damit konnte er seine Getreideerträge im Schnitt um 50 bis 80 % auf bis zu 8 t/ha steigern. „Durch die deutlich höheren Preise für Bioware sind solche Ertragssteigerungen für uns als Öko-Betrieb natürlich ein großer Hebel bei der Wertschöpfung“, sagt Wiggert.
Über 80 % des Substrats werden nicht eigens für die Biogasanlage erzeugt, sondern fallen ohnehin an in der neungliedrigen Fruchtfolge mit intensivem Zwischenfruchtanbau. Neben dem Mist aus der Rinderhaltung setzt er vor allem Luzerne-Kleegras, Landsberger Gemenge und Wickroggen ein sowie den Aufwuchs von etwa 80 ha Grünland.
Kein Mais in die Anlage
Auf Mais verzichtet Wiggert ganz bewusst, obwohl Maissilage mehr Gas liefert und sich leichter vergären lässt. Dafür hat er gute Gründe: „Beim Mais haben wir wegen der Höhenlage häufig keine guten Erträge. Vor allem aber müsste ich in der Kultur viel Stickstoff einsetzen, der mir dann bei den Marktfrüchten fehlt.“
Zudem bietet ihm der Anbau standortangepasster Kulturen wie Kleegras und Landsberger Gemenge weitere Vorteile im Anbausystem. Sie unterdrücken sehr wirksam Unkraut, liefern zusätzlichen Stickstoff, haben einen sehr hohen Vorfruchtwert, bauen Humus auf und erfordern nur sehr wenig Aufwand. Wiggert: „Hier muss ich nur ernten und sonst nichts tun. Und speziell das Landsberger Gemenge hinterlässt eine perfekte Krümelstruktur, die ich mit keiner anderen Kultur hinbekomme.“
Die Biogasanlage in dieser Form zu betreiben und in den Betriebskreislauf einzubinden, ist für ihn auch ein wichtiges Argument für Biogas in der Tank-/Teller-Debatte: „Wenn wir die Anlage rausnehmen würden, hätten wir mit unserer neunjährigen Fruchtfolge nicht mehr Lebensmittel erzeugt.“ Auch für den Humusaufbau liefern die Gärreste laut Wiggert einen wertvollen Beitrag.

Eine der angebauten Hauptkulturen ist Buchweizen.
Humus aufbauen
Der Aufbau von Humus ist für ihn ein entscheidender Faktor für die Ertragsstabilität, genauso wie der Gemengeanbau und ein möglichst durchgehender Aufwuchs über elf Monate im Jahr. Denn Trockenheit und Starkregen treten auch im Hochschwarzwald immer häufiger auf. Triticale wird deshalb immer mit Kleegrasuntersaat angebaut, Hafer mit Leindotter. Als Zwischenfrucht nach Getreide hat er eine sogenannte Doppel-GPS etabliert, in der er Sommer- und Grünroggen mit Sommerwicke, Wintererbse und Klee kombiniert.
Humusgehalte von 3,5 bis 8 % bei steigender Tendenz bestätigen Wiggert, dass die Fruchtfolge funktioniert und die Fruchtbarkeit weiter gesteigert wird. „Unser Ziel ist immer eine maximale Produktivität mit möglichst wenig Input“, erklärt Wiggert. „Dafür sind standortangepasste, vielfältige Gemenge ideal, weil sie durch verschiedene Wuchshöhen und Blattstellungen die Fotosyntheseleistung optimieren.“

Landsberger Gemenge mit Inkarnatklee.
Extensive Rinderhaltung
Ein weiterer Baustein im Betriebskreislauf ist eine Mutterkuhherde einer alten, lokalen Rasse mit etwa 100 Tieren. Das Fleisch wird komplett direktvermarktet, unter anderem über einen Hofladen. Auch an diesem Betriebsbereich zeigt sich Wiggerts gesamtbetrieblicher Ansatz. „Wenn ich nur die Einnahmen aus der Fleischvermarktung gegen die Kosten rechne, lohnt sich die extensive Rinderhaltung für uns eigentlich nicht“, sagt Wiggert. „Aber im gesamtbetrieblichen Kontext macht die Haltung für uns absolut Sinn.“
Denn mit der extensiven Rindermast kann er die 40 ha Naturschutz- und FFH-Wiesen des Betriebs sinnvoll nutzen - und das dreifach: Das gewonnene Heu dient als Hauptfuttermittel zur Fleischerzeugung, der anfallende Mist liefert - inklusive der zugekauften Dinkeleinstreu - zusätzliche Energie beim Vergären in der Biogasanlage und der Stickstoff aus dem vergorenen Mist ermöglicht laut Wiggert Mehrerträge im Getreide von bis zu 1,5 t/ha, weil zusätzliche stickstoffreiche Gärreste anfallen.
So kommt der Bio-Landwirt mit den Fördermitteln für die Naturschutzflächen auf einen Umsatz von bis zu 2 500 €/ha. „Das funktioniert, weil wir mit der Biogasanlage eine Verwertungsmöglichkeit haben und der Preishebel für Bio-Fleisch und Bio-Getreide so groß ist“, sagt Wiggert. Würde er nur das Heu verkaufen, könnte er damit gerade die Erntekosten decken.
Prämiertes Konzept
Für ihr Konzept wurde das Betriebsleiterpaar mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als Sieger des Bundeswettbewerbs Ökologischer Landbau 2024. Der Betriebsleiter ist sich bewusst, dass sein Konzept mit einer flexiblen Biogasanlage, energieärmeren Substraten und einem Ackerbau mit vielen Gemengen und Zwischenfrüchten komplex und anspruchsvoll ist. Das erfordert zum Beispiel mehr Lagerfläche für die Silagen, aufwändigere Technik für die Substrataufbereitung und eine hohe Schlagkraft im Ackerbau. Doch externe Gutachten bescheinigen dem Haslachhof, dass sich der Aufwand lohnt. Sie belegen eine hohe Nachhaltigkeit für die Bodenfruchtbarkeit, im Bereich Klima und Wasser und in der Tierhaltung. Die vielen unterschiedlichen Kulturen und der Gemengeanbau senken das Anbaurisiko bei Extremwetterlagen.
Und nicht zuletzt eröffnet die hohe Wirtschaftlichkeit des Betriebs genügend Spielräume zur Weiterentwicklung. Aktuell investiert Wiggert zum Beispiel in eine Agri-Fotovoltaikanlage und testet regelmäßig neue Kulturen und Gemengevarianten auf seinen Flächen. Wolfram Wiggert: „Auch das kostet Zeit und Geld. Deshalb ist Wirtschaftlichkeit für mich letztlich auch eine Form der Nachhaltigkeit.“
Jürgen Beckhoff