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Ökolandbau NRW

Zusammen pflanzen, gemeinsam ernten

01.10.2024

Die Folgen des Klimawandels gehen am Niederrhein, im Westen Nordrhein-Westfalens gelegen, nicht spurlos vorbei. In der stark landwirtschaftlichen und gartenbaulich geprägten Region sind vermehrt Wetterextreme, wie Trockenperioden, Hitzewellen und Starkregenereignisse, zu beobachten. Dies bestätigt auch der am 19. August 2024 veröffentlichte LANUV-Fachbericht 157 „Klimaentwicklung und Klimaprojektionen in Nordrhein-Westfalen - Datengrundlage und Wissenschaftlicher Hintergrund der Klimaanpassungsstrategie“, den das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) im Auftrag des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums erarbeitete.

Die immer wärmeren und trockeneren Sommer stellen die regionale Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung vor zunehmende Herausforderungen. Es gilt, Antworten und Anpassungsstrategien zu entwickeln. Einen Lösungsansatz bieten Agroforstsysteme, bei denen Gehölze mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung auf einer Fläche kombiniert werden. Vor diesem Hintergrund ist das Transformationsprojekt Agroforst Reallabor als Teil des Projekts ‚TransRegINT‘ - Transformation der Region Niederrhein: Innovation, Nachhaltigkeit, Teilhabe an der Hochschule Rhein-Waal (HSRW) entstanden. Es soll an die Region Niederrhein angepasste Agroforstsysteme umsetzen und ein regionales Netzwerk der verschiedenen Akteure schaffen. Das Team „Agroforst Reallabor“ begleitet die Umsetzungen wissenschaftlich, um Daten zu den ökologischen, ökonomischen und sozialen Leistungen dieser Systeme zu erheben.

Seit dem Startschuss des Agroforst Reallabors im Sommer 2023 fand ein intensiver Austausch mit lokalen Akteuren statt. Daraus haben sich in der Zwischenzeit erste vertraglich geregelte Kooperationspartnerschaften ergeben. „Ähnlich wie bei strategischen Unternehmenspartnerschaften geht es bei unseren Kooperationen um das Teilen von Erfahrungen und Fachwissen, die Erweiterung des Netzwerks, das Verfolgen gemeinsamer Ziele und die Einnahme neuer Perspektiven. Idealerweise ergibt sich eine Win-Win-Situation für unsere Kooperationspartner und für unser Projekt“, erklärte Dr. Ana Kreter, Projektkoordinatorin Agroforst Reallabor im Projekt TransRegINT. „Unsere Kooperationspartner erhalten keine finanzielle Förderung. Sie sollen von der Verbindung der Hochschule in die Praxis profitieren. Wir wollen unser Wissen weitergeben und so zu einer erfolgreichen Transformation der landwirtschaftlichen Systeme beitragen.“


Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen

Die bereits bestehenden Kooperationsverträge wurden mit Partnern aus ganz unterschiedlichen landwirtschaftlichen Bereichen abgeschlossen: Familie Haartz vom Hof Birgel aus Kalkar hat zu Beginn dieses Jahres auf knapp 2 ha ein Walnuss-Agroforstsystem angepflanzt. Das Agroforst Reallabor wird eine Marktstudie zu Walnüssen mit Fokus Niederrhein erstellen. In Planung ist zudem ein 700 m² großer Haselnusshain. Nach Auslaufen des bestehenden Pachtvertrags wird ein Biobauer, der bereits Erfahrung mit Agroforstsystemen gesammelt hat, die Ackerflächen der Familie bewirtschaften. „Daneben packen wir auch gerne mit an, denn auf dem Feld kommt man mit der Praxis am besten in Austausch“, so Anna-Lea Ortmann, Doktorandin im Agroforst Reallabor. „Wir haben gemeinsam mit Studierenden bei den Walnusspflanzungen unterstützt und eine initiale Bodenbeprobung durchgeführt. Während des Projektzeitraums sind weitere bodenkundliche Beprobungen im Rahmen der Lehre und studentischer Projektarbeiten geplant.“

Zu Beginn des Jahres wurde auf Hof Birgel auf knapp 2 ha ein Walnuss-Agroforstsystem angepflanzt. Foto: Samuel Lemmen, Hochschule RheinWaal


Auch der Gänsepeter macht mit

Peter Eßer aus Rommerskirchen, auch bekannt als „Der Gänsepeter“, hat im Rahmen der Eingriffs-Ausgleichs-Regelung Bäume unter anderem auf Grünlandflächen seiner Gänse gepflanzt - und ist damit einen ersten Schritt in Richtung eines Agroforsts gegangen. Er möchte noch mehr Gehölze in Form von Agroforststreifen auf 5 ha Grünland für Mastgänse anpflanzen und sieht viele Vorteile, wie Schattenwurf und Windschutz. Vor allem sollen die Gehölze für mehr Struktur sorgen und die Tiere anregen, sich auf der Fläche auszubreiten, um einen flächenmäßigen Eintrag der Nährstoffe zu gewährleisten. „Wir werden in Rommerskirchen verschiedene Möglichkeiten des Verbissschutzes erproben und das Verhalten von Geflügel in Agroforstsystemen untersuchen“, erläuterte Jannis Menne, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Agroforst-Reallabor. „Die Zusammenarbeit ist für uns eine große Bereicherung, da unsere Partner auf ihrem Gebiet Spezialisten sind und wir von ihrem Wissen aus der landwirtschaftlichen Praxis profitieren.“

Das Maisfeld wird für die Gänse von Peter Eßer zur Auslauffläche. Foto: Catrin Senger, Hochschule RheinWaal


Strukturelemente pflanzen

Jelmer de Groot vom Hogefelderhof in Kalkar hält im Nebenerwerb rund 150 Ziegen. Ihn beschäftigt die fortschreitende Veränderung der traditionellen niederrheinischen Landschaft, der Wegfall von Hecken und Baumstreifen. Daher ist es ihm ein Anliegen, einen gegenläufigen Weg einzuschlagen und Bäume und Futterlaubhecken auf seinen Flächen zu pflanzen. Ein Agroforstsystem hat für ihn jedoch auch einen ganz praktischen Nutzen: „Insbesondere während der heißen Mittagsstunden im Sommer benötigen Ziegen ausreichend Schutz vor der direkten Sonneneinstrahlung!“, erläuterte de Groot. Das Agroforst Reallabor wird mit ihm unter anderem verschiedene Möglichkeiten des Verbissschutzes erforschen, da Ziegen als pflanzliche Allesfresser die Rinde junger Bäume anfressen. „Weitere Forschungsvorhaben beziehen sich auf die Interaktion von Weidetier und Agroforstsystem sowie unterschiedlichster Tiersensorik, vor dem Hintergrund des Klimawandels, vor allem heißere und trockenere Sommer“, so Jannis Menne, der Jelmer de Groot in den nächsten Jahren wissenschaftlich begleiten wird.

Agroforst Reallabor Kooperation Hogefelderhof

Foto: Catrin Senge, Hochschule RheinWaal


Oliven und Lavendel am Niederrhein

Einen eher untypischen Kooperationspartner fand das Agroforst Reallabor in Dercks Gartenbau. Das Familienunternehmen produziert in Geldern-Walbeck Zierpflanzen, wie Callunen, Lavendel, Frühjahrs- und Sommerstauden. In einem Teil der großzügig angelegten Versickerungsmulden neben den Freilandflächen ist ein Agroforstsystem bestehend aus Olivenbäumen und Lavendel geplant. Die Vermutung, dass die tiefwurzelnden Bäume zu einer besseren Filterung und Versickerung der Abwässer sorgen, soll mit Hilfe der Hochschule Rhein-Waal wissenschaftlich erforscht werden. „Die Pflanzung soll im Laufe des kommenden Jahres fertiggestellt werden“, freut sich Samuel Lemmen, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Agroforst Reallabor, über den nächsten Schritt. Er hat die Zusammenarbeit mit Dercks Gartenbau gemeinsam mit Regina Bach, Netzwerkkoordinatorin Agrobusiness Niederrhein e.V.  und TransRegINT, angebahnt.

Dr. Anke Schirocki und Regina Bach von Agrobusiness Niederrhein e.V. im Gespräch mit Peter Dercks. Der Kontakt zu Dercks Gartenbau wurde über das Netzwerk initiiert. Foto: Hochschule RheinWaal

Quelle: Projekt TransRegINT